Zukunftsthemen im Kampf gegen die Volkskrankheit

In einem gemeinsamen Pressegespräch betonten die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag.a Beate Hartinger-Klein und die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer die Bedeutung der Volkskrankheit Diabetes für das gesamte Gesundheitswesen in Österreich. Sie wiesen darauf hin, dass Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Data Science schon heute die Diabetesversorgung und die Präventionsarbeit in Österreich beeinflussen. Die Ministerin präsentierte den persönlichen Gesundheitsnutzen, den Menschen mit Diabetes schon heute aus der modernen Telemedizin ziehen können und stellte zwei Best Practice Projekte – DiabCare in Tirol und den Gesundheitsdialog Diabetes der VAEB – vor. Die ÖDG Präsidentin zeigte auf, wie das wissenschaftliche Arbeiten mit Big Data direkte Erkenntnisse für die treffsichere Krankheitsvorbeugung bringt.

In Österreich leiden rund 600.000 Menschen an Diabetes mellitus. Diabetes stellt eine der größten Herausforderungen für die Gesundheitssysteme industrialisierter Staaten dar, nicht nur weil es um viele Menschen geht, sondern auch weil die Erkrankung besonders komplex ist. Als Stoffwechselerkrankung löst sie im gesamten Körper Prozesse aus, die zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen führen können. Trotz vieler Verbesserungen in der Behandlung, durch die Komplikationen vermieden werden können, liegt die Lebenserwartung von Diabetikern noch immer unter der der Durchschnittsbevölkerung. Dies ist vor allem durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingt, die typische Begleiterkrankungen des Diabetes sind. Die Komplexität des Diabetes äußert sich aber auch dadurch, dass jeder betroffene Mensch seinen gewohnten Lebensstil ändern sollte, um die Erkrankung bestmöglich zu meistern. Ein wichtiger Teil dieser Verhaltensänderung ist auch die regelmäßige Kontrolle bestimmter physischer Parameter wie Blutzucker und Gewicht.

Diabetes und Digitalisierung

Mag.a Beate Hartinger-Klein, Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz setzt beim Kampf gegen Diabetes auf Digitalisierungslösungen mittels Telemonitoring: „Diabetes mellitus ist eine Krankheit, die nicht nur jene Menschen betrifft, die daran erkrankt sind. Sie betrifft uns alle – auch als Angehörige, Freunde, Bekannte, Kollegen und als Menschen, die im Gesundheitssystem tätig sind. Es ist mir daher ein besonderes Anliegen, dass die Betroffenen bestmöglich in ihrer Autonomie hinsichtlich des Krankheitsmanagements unterstützt werden. Für ein möglichst einfaches, aber effizientes Selbstmanagement der Krankheit kommt den Patienten die Digitalisierung als zeitgemäße treibende Kraft der Qualitätsverbesserung zu Gute. Durch Informations- und Kommunikationstechnologie wird das Therapie-Selbstmanagement einer Krankheit wie Diabetes optimiert. Telemonitoring unterstützt die Patienten im Alltag und sorgt für eine digitale Vernetzung mit eingebundenen Gesundheitsdienstleistern zu Gunsten einer bestmöglichen Betreuung der Patienten. Auch die Integration von medizintechnischen Geräten für ein besseres Monitoring erleichtert das Selbstmanagement der Krankheit.“

Im Rahmen des Gesprächs wurden auch zwei Best Practice Projekte vorgestellt: Der Gesundheitsdialog Diabetes der VAEB sowie DiabCare in Tirol. Beide Projekte sind wichtige Meilensteine im Kampf von Diabetes durch den Einsatz von Digitalisierung. Um die Standardisierung von Telemonitoring-Lösungen (Messdatenerfassung) voranzutreiben und zu institutionalisieren, wurde  auch eine Rahmen-Richtlinie[1]veröffentlicht.

Große medizinische Fortschritte durch Data Science

Hartinger-Klein sieht neben telemedizinischen Leistungen auch große Möglichkeiten durch Data Science für die Medizin: „Wie wir wissen, führt die Nutzung digitaler Technologien zu immer mehr Datenmengen. Diese sinnvoll zu nutzen, gilt es nun. Denn indem zum Beispiel Strukturen in den Daten entdeckt werden, können Krankheitsverläufe präziser vorher gesagt werden. Stichwort: ‚Machine Learning‘ – selbstlernende Maschinen simulieren menschliche Denkprozesse und können innerhalb von kürzester Zeit von einer unüberschaubaren Menge von Daten zu Erkenntnissen gelangen, für die ein Mensch ein ganzes Leben brauchen würde. Diese hohe Konzentration von Daten bietet eine enorme Chance, Forschungen im Bereich Diabetes besser vorantreiben zu können. Auch wissenschaftliche Empfehlungen für neue Präventions- und Behandlungsstrategien können so treffsicher erarbeitet werden“.

Data Science: Wie aus großen Datenmengen Erkenntnisse gewonnen werden

Die Präsidentin der ÖDG, Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer von der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Medizinischen Universität Wien erklärt: „Ein gutes Beispiel für Data Science ist eine Erhebung, bei der alle Menschen die Diabetes-Medikamente verschrieben bekommen haben, in anonymisierter Form mit allen ihren Spitalsdiagnosen erfasst wurden. Wir haben prinzipielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden, speziell auch bei Tumoren, von denen Männer mit Diabetes insgesamt stärker betroffen waren. Durch eine Diabeteserkrankung steigt somit statistisch auch das Risiko für bestimmte Tumorerkrankungen, besonders unter Medikamenten, die die Insulinspiegel stark erhöhen. ABER durch eine gleichzeitige Behandlung mit Cholesterinsenkern (Statinen) sinkt dieses Risiko wieder auf den Faktor von Nicht-Diabetikern. Durch Data Science wurden Korrelationen sichtbar gemacht und auf dieser Basis können zielgerichtet weitere Forschungen stimuliert und neue Behandlungsempfehlungen entwickelt werden.“

Gezielte Primärprävention

„Das Auftreten eines Schwangerschaftsdiabetes ist der Faktor, der das Diabetes-Risiko bei Frauen am stärksten beeinflusst. 50 bis 70 Prozent erkranken in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Eine Gewichtszunahme und Adipositas sind besonders starke Risikofaktoren. Mit dieser Erkenntnis kann gezielte Prävention betrieben werden. Besonders wichtig für die weitere Risikoabschätzung wäre eine Neubeurteilung der Glukosetoleranz sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt. Die Compliance der frischgebackenen Mütter zur Nachkontrolle ist in Österreich derzeit aber mit ungefähr 30 Prozent sehr schlecht. Die meisten Mütter kommen erst wieder nach Jahren mit einem manifesten Diabetes oder Komplikationen zum Arzt. Eine gute Möglichkeit, um Mütter sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt zum Zuckerbelastungstest zu bringen, wäre eine Aufnahme dieser Untersuchung in den Mutter-Kind-Pass“, betont Kautzky-Willer abschließend.

 

Fotos: Titelbild: Pixabay.com; Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Medizinische Universität Wien, Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) (c)  MedUniWien Mattern