Zwei unterschätze Krankmacher: Experten beim European Health Forum Gastein zum Thema Gesunde Gemeinden und Städte

Im Bild: Gemeinde und Stadt EHFG, vlnr. Cahill, Mackiewicz, Honsell

„Die Autos sind der größte Feind für unsere Gesundheit“, so die Aussage von Bürgermeister Furio Honsell aus Udine bei einer Podiumsdiskussion beim diesjährigen European Health Forum Gastein. Die Diskutanten gingen der Frage nach, wie mehr Gesundheit in den Gemeinden und Städten erreicht werden kann. Lebenslanges Lernen und Bewegungsförderung waren weitere Ansätze, wie die Gesundheit der Menschen positiv beeinflusst werden soll.

In der 100.000 Einwohner zählenden italienischen Stadt Udine habe man unter anderem damit begonnen, Geh-Gruppen zu starten, damit die Menschen gemeinsam die Bewegung im Alltag erhöhen. Honsell: „Die Menschen genießen das gemeinsame Gehen oder Laufen, es ist für psychische Probleme oft besser wie jedes Medikament. Mit diesen Gruppen können wir auch gute Fortschritte bei der Integration von neuen Mitbürgern und Migranten erzielen, die Gemeinschaft in der Stadt wird gestärkt. Udine bietet zusätzlich Kurse zur Demenz-Prävention an und hat Programme gegen Übergewicht sowie die Aktion „Zu-Fuß-in-die-Schule“ gestartet. Die Argumente gegen das Auto: Die Menschen bewegen sich zu wenig, es verursacht Luftverschmutzung und Lärm, beim Autofahren geht viel Sozialkontakt verloren, die Parkflächen und Straßen wären als Grünflächen viel wertvoller für ein gesundes Leben.

Viel Bewegung und lebenslanges Lernen. In die gleiche Bewegung-im-Alltag-Kerbe schlug auch Des Cahill, Gemeinderat von Cork City/Irland. Er betont, dass in seiner Stadt bewusst Gehwege und „greenways“ eingerichtet wurden.“Eine gesunde Stadt zu sein bringt viele Vorteile, auch kommerzielle. Je besser sich unsere Leute fühlen, desto mehr wird die Stadt gedeihen. Gesundheit ist Teil eines jeden Aspekts unseres Stadtlebens – wir berücksichtigen dies bei öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Sport- und Lebensmittelinitiativen sowie in der Stadtplanung. Wir veranstalten Lern-Festivals und es gibt seitens der Stadt Aktivitäten, um lebenslanges Lernen zu fördern. Unsere älteste Teilnehmerin war 101 Jahre, sie hat im Vorjahr noch einen Kurs abgeschlossen.  Die Erfolge in Zahlen zu messen sei aber schwer, so Cahill. Er sehe diesen aber unter anderem an der steigenden Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, beim Rückgang der Arbeitslosigkeit und einem hohen Prozentsatz ausländischer Investitionen. In Cork wird Wert auf politisches Mitentscheiden gelegt, dank Public Participation Networks (PPNs) basieren die Entscheidungen des Stadtrates auf den Anregungen und Wünschen der Bevölkerung, berichtet Cahill.

Mehr Kapazitäten für Gesundheit in der kommunalen Verwaltung gefordert. Karolina Mackiewicz vom WHO-Kooperationszentrum für gesunde Städte in der Ostseeregion unterstrich, dass das Bewusstsein der lokalen Entscheidungsträger erhöht werden muss. Gesundheit sollte bei jeder Entscheidung berücksichtigt werden: in Verkehr, Sport, Bildung und sozialen Fragen. Es sei wichtig, den Aufbau von Kapazitäten für die Gesundheitsfürsorge in der Verwaltung zu fördern. Ihr Praxisbeispiel: Die Beleuchtung in Parks kann dazu beitragen, die Zugänglichkeit zu gesunden Alternativen zu erhöhen. Machiewicz: „Diese Verbindung zu sehen und für alle sichtbar zu machen, das ist es, worum es uns bei Health in All Politics geht und wofür wir arbeiten.“

Österreich auf dem Weg von der gesunden Gemeinde zur gesunden Nachbarschaft. Ergänzend zur Podiumsdiskussion erläutert Dr. Klaus Ropin, Geschäftsführer des Fonds Gesundes Österreich, die Situation im deutschsprachigen Europa. Vor rund 25 Jahren wurden in Österreich – ebenso in Deutschland und in diversen Kantonen in der Schweiz – Aktivitäten gestartet, um mehr Gesundheit in die Gemeinden und Städte zu bringen. Entstanden sind u.a. die Aktion „Gesunde Gemeinden“ sowie das Gesunde Stadtnetzwerk. Durch das gegenseitige Lernen und mittels Förderaktionen wird daran gearbeitet, für die Menschen in den Kommunen gesunde Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Aktivitäten reichen von gemeinsam Kochen und Wandern bis hin zum Angebot der Darmkrebsvorsorge, aktuell entsteht in einer österreichischen Gemeinde das Pilotprojekt „Demenzfreundliche Gemeinde“.

Einsamkeit ist schädlicher als wenig Bewegung oder falsche Ernährung. In der sogenannte Lumsden-Studie aus Amerika wurde vor zwei Jahren darauf hingewiesen, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Qualität der sozialen Beziehungen und der Sterblichkeit gibt. Wenn sich Menschen einsam fühlen ist das gefährlicher für ihre Gesundheit als wenn sie sich falsch ernähren oder zu wenig bewegen. In Österreich hat man das Thema soziale Integration bereits 2012 aufgegriffen, der Fonds Gesundes Österreich startete die Initiative „Gesunde Nachbarschaft“ (www.gesundenachbarschaft.at). Dieses Projekt wird in allen Bundesländern umgesetzt, derzeit laufen 13 Leitprojekte, um die soziale Teilhabe der Menschen zu fördern.

„Gesundheit in allen Politikbereichen“ ist das Generalthema des diesjährigen European Health Forum in Gastein. Diese wenigen Beispiele zeigen, wie breit das Thema ist. Die versammelten Experten betonten allesamt, dass die Gesundheit der Menschen sehr wesentlich auf lokaler und lokalpolitischer Ebene entschieden wird.

*Über 500 führende Europäische Gesundheitsexperten aus Politik, Forschung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft debattieren die grössten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit während drei Tagen in Gastein.

 

Fotocredit: Andreas Steger framez