Neurophysiologen warnen – bei falscher Anwendung – vor Überbelastung und Nierenschäden

Ein schlanker und straffer Körper mit nur 20 Minuten Training pro Woche – das verspricht das EMS-Training. Viele Fitnessstudios werben mit dem Sporttrend Elektromyostimulation, bei dem die Muskeln während des normalen Trainings zusätzlich mit elektrischem Strom stimuliert werden. Doch die „Wundermethode“ soll Tücken haben: Falsch angewendet soll EMS zu Schäden an Muskeln und Nieren führen können. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) rät daher, die Methode nur unter Anleitung ausgebildeter Sportmediziner und Physiotherapeuten einzusetzen.

Fitnessstudios locken Kunden mit Elektromyostimulationstraining (EMS), einem Ganzkörpertraining unter Reizstrom, und versprechen hocheffizientes Trainieren mit nur 20 Minuten Einsatz pro Woche. Der Grund für den schnellen Effekt: Die gezielte Stromzufuhr führt zu stärkeren Muskelkontraktionen, die auch tiefere Muskelfasern erreichen und somit zum schnelleren Aufbau der Muskulatur.

In der Physiotherapie und im Hochleistungssport wird EMS schon seit Jahren zum Muskelaufbau nach einer OP oder längerer Bettlägerigkeit eingesetzt. Die Massenanwendung der Methode sei allerdings noch Neuland, sagt Professor Dr. med. Stefan Knecht, Chefarzt der Klinik für Neurologie, St. Mauritius Therapieklinik, Meerbusch und Pressesprecher der DGKN: „Während Ärzte und Physiotherapeuten in dieser Methode ausgebildet wurden, ist das Personal in Fitnessstudios aber oft nicht ausreichend geschult, um die Belastung richtig einzuschätzen.“

Während des EMS-Trainings trägt der Sportler einen speziellen Anzug, der den Strom in die Muskeln leitet. Der Trainer gibt Anweisungen und reguliert die Stromintensität für die einzelnen Körperregionen über ein Kontrollpanel. Verschiedene Muskelgruppen werden für einige Sekunden gezielt angespannt und anschließend wieder entlastet – durch die intensive Anspannung mit zusätzlicher Stromzufuhr ist ein kurzes Workout ausreichend.

„Der geringe Aufwand ist tückisch und kann dazu verleiten, häufiger oder ausgiebiger zu trainieren als empfohlen“, sagt Knecht. „Das EMS-Training sollte höchstens ein- bis maximal zweimal pro Woche absolviert werden“. Ein zu intensives Krafttraining führt zu einer erhöhten Ausschüttung der Creatin-Kinase (CK), einem Enzym, das die Muskeln mit Energie versorgt. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben herausgefunden, dass der Anstieg der CK beim EMS-Training bis zu 18 Mal höher ist als beim herkömmlichen Training. Diese Extremwerte können in Einzelfällen zu Nierenschädigungen führen. Im Zweifel gilt: Wer nach dem Training Schmerzen, Herzrasen oder ein Schwächegefühl verspürt, sollte den Arzt aufsuchen.

Unser FAZIT: Es macht also auch beim EMS-Training die Dosis das Gift. Neben ausreichenden Erholungsphasen zwischen den Trainingseinheiten ist eine moderate Stromintensität wichtig. Gefahr droht dann, wenn jemand den Regler unkritisch nach oben dreht. „Geschultes Personal muss die Stromintensität überwachen und die Trainer müssen auf die Gefahr des Übertrainierens hinweisen“, bestätigt auch der DGKN-Pressesprecher. Die professionellen EMS-Trainer, mit denen wir zum Thema sprachen, halten ganz klar fest, dass darauf geachtet wird und die Risiken durchaus besprochen werden. Außerdem wichtig für die Nierenfunktion: Auch wenn die Trainingseinheiten nur kurz sind, muss ausreichend getrunken werden. Ein reguläres Fitnesstraining – alles aus eigener Körperkraft – ist sicher immer noch die „sicherste“ Lösung um fit zu werden. Aber selbst hier ist es ratsam, sich von Profis coachen zu lassen!

Quelle: SpeicherUNowakSSchmithüsenJKleinöderH & MesterJ 2010, Kurz- und langfristige Trainingseffekte durch mechanische und elektrische Stimulation auf kraftdiagnostische Parameter. in J Fischer (Hrsg.), BISp-Jahrbuch Forschungsförderung 2008/2009. Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Bonn, S. 103-115.
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