Hohe Festtage sind Tage der Heilkräuter

Kräuter, die an hohen christlichen Festtage wie dem Johannistag (am 24.6.), Maria Himmelfahrt und dem Gründonnerstag gesammelt und gesegnet werden, spricht man schon immer besondere, starke Kräfte zu. Heimische Wildkräuter werden an diesen Festtagen oft zu Sträußen oder Kränzen gebunden, gesegnet und im Haus aufgehängt.

„Die Zahl und Art der verwendeten Kräuter kann regional variieren. Besonders wichtige Heilkräuter, die in Buschen oder Kränzen zusammengebunden werden, sind Johanniskraut, Beifuß, Arnika, Wurmfarn, Eisenkraut, Wiesenmargeriten, Holunder und Quendel. Alle diese Pflanzen haben jetzt Hochsaison“, erklärt Kräuterexpertin Verena Reisinger. Die Kräuter verweisen im christlichen Glauben noch auf ein leibliches und geistliches Heilsein im Glauben. „Gottes heilende Kraft zeigt sich auch in den Wildkräutern“, ist Pater Johannes, Prior des Europaklosters Gut Aich, überzeugt. Aber auch hier gab es immer wieder Verknüpfungen mit altem Aberglauben. Kräuter, die vor der Johannisnacht unter das Kopfkissen gelegt wurden, sollen das Liebesglück erhalten.

SeeWald Klosterspezialitäten: Kräuterwissen der Benediktiner

Die segensreichen Eigenschaften der Kräuter gerieten in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend in Vergessenheit, weil sich die Lebensweise und auch die Beschaffung von Nahrung grundlegend geändert haben. In den Klöstern wurden allerdings von jeher Kräuter angebaut und für die kranken Brüder und Schwestern, aber auch für die Menschen außerhalb des Klosters eingesetzt. Heute erlebt dieses alte Wissen eine Renaissance. Vor allem um diese Jahreszeit haben die Mönche des Europaklosters Gut Aich in St. Gilgen und ihre Helfer viel zu tun. Das Kloster, das am Wolfgangsee liegt, ist für seine Kräuter und deren Verarbeitung und Einbindung in die europäische Klosterheilkunde weit über die Grenzen Österreichs bekannt. In den Kräutergärten, aber vor allem auch auf den Klosteralmen, die auf bis zu 1600 Metern Höhe liegen, gedeihen wertvolle Pflanzen-Schätze. Wer jetzt die Kraft der Sommersonne beim Kräutersammeln einfängt, kann in der dunklen Jahreszeit auf die wärmende Energie in Form von Tees, Hydrolaten, Tinkturen und Salben zurückgreifen.

Im Europakloster Gut Aich wird das traditionelle Wissen und der Erfahrungsschatz der Benediktinerklöster rund um die Verarbeitung und Einsatzweise von Kräutern von Beginn an gehütet und gepflegt. Gleich nach Gründung des Klosters im Jahr 1993 wurde ein Kräutergarten angelegt. Damit setzten die Mönche die Tradition des Benediktinerordens fort, der seit 1500 Jahren Erfahrung mit dem Anbau, der Verarbeitung und Anwendung von Kräutern hat. Etliche Kräuter können aber nicht konventionell angebaut werden und werden daher von den Mönchen und ihren Helfern in Handarbeit auf den umliegenden Wiesen und Almen gesammelt. „Die Sonne zieht jetzt die meisten Inhaltsstoffe an die Oberfläche und die Pflanzen haben eine ganz besondere Kraft. Wir sollten die Eigenschaften unserer heimischen Kräuter nutzen, um die Ursachen von körperlichem und seelischem Unbehagen positiv zu beeinflussen“, sagt Pater Johannes.

Die geernteten Kräuter werden im Europakloster zu den SeeWald Klosterspezialitäten in traditioneller Handarbeit verarbeitet. Die besonderen Kräuterelixiere, Klosterbalsame und Öle sind in der Apotheke erhältlich. Zudem trägt jedes Kräuterprodukt ein von Pater Johannes durch Meditation entwickeltes, individuelles Mandala. Diese Kräuter-Mandalas sind Abstraktionen über das Wesen der Pflanzen. Sie entwickelten sich aus einer oft sehr langen Meditation, dem Visualisieren und dem Betrachten der Pflanze und dem Wissen um ihre Wirkung. Die Kooperation zwischen einem Kloster und einem Nahrungsergänzungsmittelhersteller ist übrigens einzigartig.

Beispiel Johanniskräuter: die so genannten „Lichtpflanzen“

„Der Johannistag ist der ‚Tag der Heilkräfte‘. Kräuterkundige sammeln ‚Lichtpflanzen‘ wie die Margerite, Arnika, Beifuß, Eisenkraut, Kamille, Königskerze, Quendel und Ringelblume. Das heilsame Johanniskraut (Hypericum perforatum) wurde sogar nach Johannes dem Täufer benannt“, weiß Heidi Friedberger, Geschäftsführerin der Akademie für Naturheilkunde.

Seit dem fünften Jahrhundert feiern Menschen am 24. Juni das Geburtsfest Johannes des Täufers. Vorher sollen Kelten die Sommersonnenwende zwölf Tage lang gefeiert haben. Für sie war diese Zeit voller Fülle, Licht und Wärme. Alles war fruchtbar, wuchs und gedieh. Den Tagen rund um die Johannisnacht wird dabei besondere Bedeutung zugemessen. „Seit jeher war man davon überzeugt, dass in der Phase rund um die Sonnenwende besonders viel Energie in der Luft liegt. Die Sonne besitzt ihren höchsten Stand und verleiht den Wildkräutern starke Kraft. Die allerbeste Zeit, Wildkräuter zu sammeln ist am Johannistag selbst, dem 24. Juni“, erklärt Kräuterexpertin Verena Reisinger und ergänzt: „Die Sommersonnenwende, diese kürzeste Nacht des Jahres, wurde schon immer mit Tanz und Festen gefeiert. Reinigungs- und Fruchtbarkeitsriten spielten im Volksglauben dabei stets eine wichtige Rolle. Auch wenn man später diesen Zeitpunkt mit einem christlichen Fest verknüpft hat, so konnte man die alten Riten nie ganz tilgen.“ Die Kräuterexpertin beschäftigt sich auch viel mit jenen Pflanzen, die gerade in dieser Jahreszeit eine tragende Rolle spielen. In manchen Gegenden werden zum Beispiel spezielle Kräuter in die Flammen des Johannisfeuers geworfen, um auf diese Weise die Abwehrkraft des Feuers zu erhöhen. Die Asche bzw. Kohle wird noch lange aufbewahrt und in die Felder gelegt, da sie dem Glauben nach lange eine heilbringende Kraft besitzen. Im 18. Jahrhundert wurden die Johannisfeuer als abergläubischer Kult verboten, im 19. Jahrhundert setzte sich der Brauch aber wieder durch.

Christlicher Glaube und heidnische Bräuche vermischen sich

Seit jeher wird Flammen eine stärkende und reinigende Wirkung zugesprochen. Wie auf einer Perlenkette reihen sich heutzutage Sonnwendfeuer auf den Bergen. Männer, Frauen und Kinder tragen Holz auf die Gipfel und zünden es an. Mutige springen über das Feuer. Dies soll nach alter Überlieferung den Körper von Krankheiten reinigen und fruchtbar machen. Menschen sollen in vorchristlichen Zeiten nur mit dem „Sonnwendgürtel“ bekleidet, über das Feuer gesprungen sein. Anschließend wurde dieser Gürtel – geflochten aus Beifuß (Artemisia vulgaris) – in das Feuer geworfen. Mit ihm verbrannten sämtliche Krankheiten für das folgende Jahr. Auch ein Strauß aus Beifuß ins Feuer geworfen erfüllte denselben Zweck. Wenn Paare gemeinsam über das Feuer sprangen, soll dies ihre Liebe entfacht oder gestärkt haben. Mädchen, die ihren zukünftigen Bräutigam sehen wollten, sammelten Kräuter, flochten daraus einen Kranz und legten diesen in der magischen Johannisnacht unter ihre Kopfpolster. Ein weiterer Brauch war Arnika (Arnica montana) in die vier Ecken des Getreidefeldes zu stecken, damit dies vor Schädlingen geschützt wird.

Die Johannisnacht galt schon immer als eine magische, besondere Nacht. Märchen berichten davon, dass sich Berge öffnen, Elfen und Zwerge herauskommen und verborgene Schätze ans Tageslicht gelangen. Heidnische Mythen, Volksglauben und Brauchtum rund um die Sommersonnenwende sind aber auch mit einem christlichen Hochfest verknüpft. Am 24. Juni wird das Fest von Johannes dem Täufer gefeiert, der Christus im Jordan getauft hat und damit auch als sein Wegbereiter gilt. In der Johannisnacht wird in vielen Gegenden Europas ein Feuer angezündet. Das Feuer ist seit jeher auch immer Symbol für die Sonne und damit auch für Christus. Johannes verkündete im Matthäusevangelium, dass Christus „mit Feuer und mit Geist“ taufen werde.

Bikd: Kräuterexpertin Verena Reisinger, SeeWald-Geschäftsführer Uwe Büttner und Heidi Friedberger, Geschäftsführerin der Akademie für Naturheilkunde mit dem starken Johanniskraut im Kräutergarten des Europaklosters Gut Aich.

Foto: Neumayr/Leo