Mehr als zwölf Millionen Deutsche leiden an chronischen Schmerzen. Zur Diagnose werden standardmäßig elektrophysiologische Untersuchungen durchgeführt – doch mit Ausnahme von Spezialverfahren erfassen diese nur die großen und nicht die kleinen Nervenfasern. Diese kleinen Fasern sind jedoch für das Schmerzempfinden verantwortlich.

Mit Hilfe moderner Ultraschallverfahren können mittlerweile auch kleinste Nervenäste erkannt und damit Schmerzursachen exakt diagnostiziert und zugeordnet werden. Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) fordern deshalb, dass die hochauflösende Sonographie künftig häufiger genutzt wird. Es existieren momentan lediglich abgelaufene Leitlinien für die Diagnostik und für die Behandlung chronischer Nervenschmerzen. Da diese aktuellen Leitlinien noch keine Ultraschallempfehlung enthalten, sollten sie nach Ansicht der Experten dringend überarbeitet werden.

Schmerzen entstehen nach einer Gewebeschädigung und dienen in erster Linie der Ruhigstellung verletzter Gewebe. Damit haben Schmerzen eigentlich eine Schutzfunktion um einen Heilungsprozess zu begünstigen oder einer Verschlimmerung des Gewebeschadens vorzubeugen. „Unter normalen Umständen ist der Schmerz mit Eintreten der Heilung beziehungsweise der Geweberegeneration rückläufig“, erläutert DEGUM-Expertin Dr. Carla Alessandra Avila González von der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum. „Wenn der Gewebeschaden jedoch so groß ist, dass eine Regeneration nicht oder nur sehr langsam erfolgt, oder der Schmerz seine Warnfunktion verliert und sich verselbstständigt, können daraus chronische Schmerzen entstehen.“ Häufig sind Störungen im Nervensystem die Ursache für die lang anhaltenden Beschwerden.

Um der Ursache chronischer Schmerzen auf die Spur zu kommen, nimmt der behandelnde Arzt zunächst eine sorgfältige Anamneseerhebung also ein Patientengespräch – und dann eine genaue körperliche Untersuchung vor. Bei speziellen Fragestellungen, wie zum Beispiel bei Schmerzen infolge einer Verletzung großer Nerven oder bei Nerventumoren, werden bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Kernspintomographie eingesetzt. Diese Techniken können jedoch verfahrensbedingt nicht bei allen Patienten angewendet werden und sie sind in der Darstellung kleiner Strukturen limitiert. Außerdem kommen elektrophysiologische Verfahren zum Einsatz. Hier werden die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und Hirnströme, die sich durch die Reizung peripherer, sensorischer Nerven erzeugen lassen, gemessen. Ultraschalluntersuchungen werden in der Schmerzdiagnostik bisher noch nicht allgemein genutzt, doch nach Ansicht der DEGUM sollten sie zukünftig verstärkt zum Einsatz kommen.

„Dank modernster, hochfrequenter Ultraschalldiagnostik können mittlerweile selbst kleinste Nervenäste, die Schmerzen verursachen, erkannt werden. Diese würden bei anderen diagnostischen Verfahren verborgen bleiben“, so Avila González, Fachärztin an der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum. „Die hochauflösenden Schallsonden ermöglichen beispielsweise, dass selbst Strukturen oder Verletzungen, die kleiner als einen Millimeter groß sind an peripheren Nerven entdeckt werden können. Zu diesen gehören zum Beispiel kleine Fremdkörper oder Einengungen von Nervenendästen im Narbengewebe.“

Neben der exakten Darstellung hat die sonografische Darstellung gegenüber anderen Verfahren weitere Vorteile: „Die Ultraschalldiagnostik kann strahlenfrei und somit besonders schonend durchgeführt werden“, sagt die Expertin. Wenn der Verdacht besteht, dass die Nervenschädigung Auslöser der Schmerzen ist, kann mittels einer ultraschallgesteuerten hochpräzisen Injektion kleinster Mengen von Betäubungsmitteln – sogenannter Lokalanästhetika – am suspekten Nerv Schmerzfreiheit erzielt werden. So kann die Verdachtsdiagnose bestätigt werden.

Damit chronische Schmerzen mittels Ultraschall möglichst exakt diagnostiziert werden können, benötigt der behandelnde Arzt neben dem geeigneten Ultraschallgerät auch exzellente anatomische Kenntnisse und sonographische Fertigkeiten. Die DEGUM-Experten lehren solche Kenntnisse und Fertigkeiten in speziellen Kursen. Sie setzen sich dafür ein, dass die Ultraschallverfahren in der Schmerzdiagnostik zukünftig verstärkt zum Einsatz kommen. „Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die abgelaufenen Leitlinien für die Diagnostik und für die Behandlung chronischer Nervenschmerzen überarbeitet werden“, meint Avila González. „Die bisherigen Leitlinien basieren mangels valider wissenschaftlicher Daten lediglich auf der Meinung einiger Experten. Aus unserer Sicht sind daher dringend wissenschaftliche Untersuchungen zum Stellenwert der Sonographie sowohl in der Diagnostik als auch in der Behandlung chronischer Schmerzen erforderlich.“

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