Saathafer ist Arzneipflanze des Jahres 2017
Der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg hat den Saathafer zur Arzneipflanze des Jahres 2017 gekürt. Der Hafer liefert mehrere Heilmittel und bietet viele Einsatzmöglichkeiten in Dermatologie und Ernährung.
Ist von Arzneipflanzen die Rede, denkt man sicher nicht gleich an Getreidearten. Der Saathafer (Avena sativa) jedoch liefert mehrere, ganz unterschiedliche Heilmittel. Sein Einsatzspektrum reiche von der Behandlung der Haut über Magen-Darm-Erkrankungen bis hin zur Vorbeugung etwa von Arteriosklerose und Diabetes mellitus Typ 2, erläutert Johannes Gottfried Mayer vom Studienkreis.
Überlegen an Nährwert und Geschmack
Der Saathafer gehört – wie Weizen, Roggen oder Gerste – zu den Süßgräsern. Im Gegensatz zu den genannten Verwandten bildet er seine Körner jedoch nicht in Ähren, sondern in vielfach verzweigten Rispen aus. Daher liefert eine Haferpflanze weniger Ertrag und ist schwerer zu ernten. Zudem umschließen Spelzen die Körner und müssen bei der Verarbeitung durch besondere Mahlgänge entfernt werden.
Die gekürte Arzneimittelpflanze hat aber auch Vorteile: Sie gedeiht auf kargen Böden und in Regionen mit hohen Niederschlägen. Beim Nährwert und nicht zuletzt beim Geschmack ist der Hafer laut Mayer den übrigen Getreidearten überlegen.
Ein Getreide – drei Heilmittel
Der Hafer liefert drei verschiedene Heilmittel: Neben dem Haferstroh gewinnen laut Studienkreis in jüngerer Zeit Kraut und Korn an Bedeutung. Das Haferstroh wird für Bäder verwendet, die bei Hautverletzungen und Juckreiz helfen sollen. Für die Nutzung des Krautes wird der Hafer vor seiner Blüte geerntet. Das Kraut ist reich an entzündungshemmenden Flavonoiden und immunmodulierenden Saponinen und besitzt einen hohen Anteil an Mineralien wie Kalium, Kalzium oder Magnesium. Extrakte des Haferkrauts werden bei Neurodermitis eingesetzt. In den Industrieländern leiden dem Studienkreis zufolge bis zu 20 Prozent der Kinder und drei Prozent der Erwachsenen an dieser Krankheit. In den 90er Jahren wurde in Frankreich eine besonders geeignete weiße Hafersorte gewonnen, die frei von Proteinen, auch von Gluten, ist. Entsprechende Hautpflegemittel wie Cremes, Körpermilch und Badezusätze sind so für Allergiker besonders gut verträglich.
Die Frucht, das Haferkorn, wird als vollreifes Korn genutzt. Neben einem hohen Gehalt an den Vitaminen B1 und B6 liefert sie auch viele Ballaststoffe. Von besonderem Interesse sind dabei die Beta-Glucane, die etwa die Hälfte des gesamten Ballaststoffgehalts im Hafer ausmachen. Hafer-Beta-Glucane haben Wirkungen auf den Verdauungstrakt und den Stoffwechsel, im Vordergrund stehen positive Effekte auf den Cholesterin- und den Blutzuckerspiegel. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit habe 2011 bestätigt, dass der Verzehr von Beta-Glucan aus Hafer zur Senkung des Cholesterolspiegels beitragen kann, so der Studienkreis.
Interdisziplinärer Studienkreis
Dem Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ gehören Medizinhistoriker, Ärzte, Apotheker und Biologen an. Als „Arzneipflanze des Jahres“ wählt er jeweils Gewächse, die eine interessante Kultur- und Medizingeschichte aufweisen und deren Wirkung in pharmakologischen und klinischen Studien überprüft wurde.
Und wenn der Hafer sticht? „Ihn sticht der Hafer = er wird übermütig. Bekommt ein Pferd mehr Hafer als nötig, scheidet es einen Teil des Futters unverdaut wieder aus und wird dabei (am empfindlichen Darmausgang) von den Spelzen des Hafers gestochen. Auf menschliches Verhalten übertragen seit dem 16. Jh.“ Nachzulesen im Lexikon der deutschen Umgangssprache.
Folgende Pflanzen wurden in den vergangenen Jahren gewählt:
1999: Buchweizen, 2001: Arnika, 2002: Ruscus, der stechende Mäusedorn, 2003: Artischocke, 2004: Pfefferminze, 2005: Arzneikürbis, 2006: Thymian, 2007: Hopfen, 2008: Weiße oder Gemeine Rosskastanie, 2009: Fenchel, 2010: Efeu, 2011: Passionsblume, 2012: Süßholz, 2013: Kapuzinerkresse, 2014: Spitzwegerich, 2015: Johanniskraut, 2016: Echter Kümmel.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft / Foto pixabay