Wohl kaum jemand! Wer aber kennt Chanel Nr. 5 nicht?
Monsieur Baux war es, der in den Zwanziger Jahren das meistverkaufte Parfum aller Zeiten schuf. Der Parfumeur, die „Nase“, ist selbst ein Genius irgendwo zwischen dem normal riechfähigen Menschen und dem Schäferhund (22-mal soviel Riechzellen). Mit raffinierten Duftcocktails, die, so Chanel-Parfumeur Jacques Polges (kreierte u.a. „Coco“ und „Allure“) eine geheime Sprache sprechen, führen sie uns gekonnt an der Nase herum. Wie alles Geheimnisvolle hat das Parfum das Zeug zum Kult und lässt sich dank der Entdeckung synthetischer Duftstoffe gegen Ende des vorigen Jahrhunderts obendrein als Massenware produzieren! Der Preis für echten Moschus ist heute beispielsweise höher als der für Gold.
Zurück zu Ernest Beaux. Er war der zweite Sohn des französischen Parfümeurs Edouard Beaux, der für die bedeutende russische Parfümfirma und den Hoflieferanten des Zaren Alphonse Rallet & Co. in Moskau arbeitete, die 1898 mit etwa 1500 Angestellten und 675 Produkten von der Grasser Firma Chiris gekauft wurde. Nach seiner Schulzeit machte Ernest Beaux 1898–1900 eine Lehre als Laborant in der Seifenfabrik von A. Rallet & Co. und wurde im Anschluss daran zum zweijährigen Wehrdienst nach Frankreich einberufen. 1902 kehrte er nach Moskau zurück und begann unter Rallets Chef-Parfümeur und technischem Direktor A. Lemercier seine Ausbildung zum Parfümeur, die er 1907 mit der Beförderung zum Senior-Parfümeur abschloss.
Er hatte seinen ersten großen Erfolg 1912 mit dem »Bouquet de Napoleon«, einem blumig ausgestalteten Kölnisch Wasser. Ein weibliches Pendant sollte aus Anlass des dreihundertjährigen Bestehens der Romanow-Zarendynastie folgen: Das »Bouquet de Catherine«, eine Hommage an Katharina die Große.
Zunächst wurden nur 100 Flakons von »Chanel Nº 5« gefertigt, die 1921 gratis zu Weihnachten an die besten Chanel-Kundinnen verschenkt wurden. Die Nachfrage war aber in der Folge so groß, dass Coco Chanel sich 1922 entschied, den Duft offiziell zu lancieren und zu verkaufen. Beaux verließ Chiris 1922 um eine Vertretung für seinen Freund Eugene Charabot in Paris zu führen. »Chanel Nº 5« lief aber so gut, dass die Geschäftspartner von Coco Chanel, Théophile Bader (zudem damaliger Inhaber der Galeries Lafayette) und Pierre Wertheimer, Coco Chanel am 4. April 1924 die Rechte abkauften und Parfums Chanel gründeten, deren Chef-Parfümeur Beaux wurde und für die er in der Folge noch viele später berühmte Parfüms kreierte.
Da Coco Chanel, die den wirklich großen Durchbruch erst 1925 mit dem Kleinen Schwarzen hatte, sich von Wertheimer übervorteilt fühlte, kämpfte Beaux nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal zusammen mit Coco Chanel gegen deren Geschäftspartner und kreierte Konkurrenzprodukte zu seinen eigenen Schöpfungen, unter anderem »Mademoiselle Chanel Nº 1« (1946), das Coco Chanel nur in ihren eigenen Geschäften anbot. Dies führte zu einigen Gerichtsprozessen, bis Wertheimer schließlich nachgab und Chanels Beteiligung aufstockte, ab 1954 aus Angst vor weiteren Alleingängen von Mademoiselle sogar die Wiedereröffnung ihres Haute Couture Hauses finanzierte.