Die gängigsten Erste Hilfe-Mythen und wie man es richtig macht – erstellt zum Welttag der Ersten Hilfe – von und mit dem Roten Kreuz.

Es gibt Notfälle, da zählt jede Minute. Erste Hilfe entscheidet dann über Leben und Tod. Dazu reichen einfache Handgriffe. Bei Atem-Kreislauf-Stillständen sollte die überlebensnotwendige Herzdruckmassage sofort erfolgen. Die gute Nachricht: Zwei Drittel der Österreicher trauen sich grundsätzlich zu, Erste Hilfe zu leisten. Dennoch bestehen Unsicherheiten. Rotkreuz-Chefarzt Dr. Wolfgang Schreiber räumt anlässlich des Welttags der Ersten Hilfe am 8. September mit häufigen Erste Hilfe-Irrtümern auf:

Mythos 1: „Besser nichts tun – sonst werde ich verklagt!“
Richtig ist, sofort zu handeln. „Jeder kann Erste Hilfe leisten. Das einzige was man falsch machen kann, ist nichts zu tun“, so Chefarzt Dr. Schreiber. Es gibt bis heute keine einzige Verurteilung wegen geleisteter Erster Hilfe. Nichtstun ist hingegen strafbar: 2017 gab es 66 Verurteilungen wegen „Unterlassener Hilfeleistung“ und „Imstichlassen eines Verletzen“.

Mythos 2: „Bei der Wiederbelebung sanft drücken, sonst brechen die Rippen.“
Richtig ist: Festes, schnelles Drücken rettet Leben, nur so wirkt die Herzdruckmassage. Der Brustkorb sollte dabei um ein Drittel eingedrückt werden. „Drücken Sie dreißigmal schnell und kräftig mit dem Handballen auf die Mitte des Brustkorbes. Führen Sie dann zwei Beatmungen durch. Wiederholen Sie das solange bis die Rettung eintrifft oder der Verletzte wieder eigenständig atmet. Wenn Sie sich davor scheuen zu beatmen, führen Sie nur die Herzdruckmassage durch“, sagt Dr. Schreiber. „Rippen brechen selten, wenn doch ist das nicht lebensgefährlich – ein Atem-Kreislauf-Stillstand schon“, relativiert der Mediziner. Um bei der Herzdruckmassage den richtigen Rhythmus zu finden, rät der Chefarzt im Takt des Popsongs Staying Alive von den Bee Gees zu drücken.

Mythos 3: „Man darf Verletzte nicht bewegen.“ Dieser Irrtum kann tödlich sein. Richtig ist: „Verletzte die bewusstlos sind und atmen, müssen in die stabile Seitenlage gebracht werden. Wichtig ist, dabei den Kopf zu überstrecken und den Mund zu öffnen, damit Blut und Erbrochenes abfließen kann“, sagt Dr. Schreiber. Ohne Überstrecken drohen Verletzte zu ersticken, da die Zunge in den Rachen rutschen und die Atemwege blockieren kann.

Mythos 4: „Der Motoradhelm darf nicht abgenommen werden.“
Richtig ist: Der Motorradhelm muss beim Bewusstlosen runter, sonst besteht Erstickungsgefahr. „Der Ersthelfer kniet oberhalb des Kopfes des Verletzten und richtet diesen vorsichtig gerade. Dann öffnet man das Visier und den Verschluss. Jetzt zieht man den Helm langsam vom Kopf – wichtig ist dabei den Nacken zu stützen“, sagt Dr. Schreiber. Erst danach kann die Atmung kontrolliert und mit lebensrettenden Maßnahmen, wie Wiederbelebung begonnen werden. Ist der Verletzte bei Bewusstsein, unterstützen Sie ihn bei der Helmabnahme.

Mythos 5: „Am häufigsten muss man bei Verkehrsunfällen Erste Hilfe leisten.“ 
Richtig ist: Platz eins der Unfallorte sind das eigene Zuhause und die nähere Wohnumgebung. Lediglich 10% der Verunfallten verletzten sich 2017 im Verkehr laut Kuratorium für Verkehrssicherheit. „Die meisten Notfälle passieren in der eigenen Familie. Umso wichtiger ist es, vorbereitet zu sein, wenn der Vater plötzlich bewusstlos auf der Couch zusammensackt oder sich die kleine Tochter an der Herdplatte verbrennt“, sagt Dr. Schreiber. Das Rote Kreuz empfiehlt das Erste Hilfe-Wissen alle fünf Jahre aufzufrischen. Kurse in Ihrer Nähe finden Sie unter www.erstehilfe.at.

 

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Schreiber, Chefarzt des Österreichischen Roten Kreuzes. Er ist Oberarzt der Universitätsklinik für Notfallmedizin am Allgemeinen Krankenhaus in Wien und ao. Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien. Zu seinen wichtigsten Aufgaben im Roten Kreuz zählen die permanente Überprüfung und Anpassung der Lehrmeinung, der Inhalte und Kursformen für die „Erste Hilfe“ und die „Sanitätshilfe“.
Fotos: Titelfoto: Österreichisches Rotes Kreuz (ÖRK)/Thomas Holly Kellner; Prof. Schreiber (c) ÖRK/Markus
Hechenberger