Touristische Berufe/Arbeitsmarkt: Das, was „Lesen und Schreiben“ in der Vergangenheit waren, werden „Coding und Design-Thinking“ in Zukunft sein – Grundlagen und Kulturtechniken der Allgemeinbildung.
Hinzu kommen soziale und interdisziplinäre Kompetenzen. Davon zeigte sich der Präsident des Travel Industry Club Austria http://travelindustryclub.at, Harald Hafner, überzeugt.
Was ist Coding? Was ist Design-Thinking?
TOURISMUS: Frauen und Teilzeitkräfte profitieren. Laut aktuellen Prognosen von Wifo und AMS werden die Beschäftigungszahlen pro Jahr in Österreich um 1,3 Prozent steigen, überwiegend profitieren werden davon Frauen und Teilzeitkräfte. Während der Produktionsbereich nur mäßig steigt, wird der Dienstleistungssektor stark zulegen – und bis 2023 rund 75 Prozent aller Arbeitnehmer beschäftigen. Die meisten neuen Jobs werden dabei im Gesundheits- und Sozialwesen, im Tourismus und in der Ausbildung sowie in IT- und Beratungsberufen geschaffen. Da der Nachwuchs vielfach fehlt, ist eine markante Ausweitung der Beschäftigung älterer (50+) Personen nötig, so die Prognose.
Und obwohl der voranschreitende Strukturwandel der Wirtschaft die berufliche Tertiärisierung (Akademisierung) beschleunigt und hochqualifizierte Tätigkeiten begünstigt, bleiben doch viele neue Akademiker ebenso wie gering qualifizierte Arbeitskräfte auf der Strecke – trotz weiterhin steigenden Arbeitsstellenangebots. Diese Ambivalenz trifft vor allem die Gastronomie und Beherbergungsbranche, waren sich die Diskutanten einig. Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt sind für den Tourismus weder Revolution noch Fortschritt oder eine Entlastung. Allerdings braucht es Digitalisierungsstrategien für die künftigen Herausforderungen.
Fachkräftemangel nicht hausgemacht. Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), betonte, dass die immer schwierigere Suche nach geeignetem Personal im Tourismus grundsätzlich nichts mit den schlechten Arbeitsbedingungen zu tun habe und auch nicht mit fehlenden Kompetenzen der Bewerber. Der Fachkräftemangel sei nicht hausgemacht, sondern branchenweit und europaweit beobachtbar. Die Zeiten billiger Arbeitskräfte seien längst vorbei. Hingegen kritisierte sie die immer zahlreicheren Tourismusschulen und Hochschulen des Landes, die am Markt vorbei produzierten. Da würden Leute, die ungeeignet für den Beruf sind, für Dinge ausgebildet, die niemand braucht, so die ÖHV-Präsidentin.
Der Fachbereichsvorsitzende Tourismus der Gewerkschaft vida, Berend Tusch, zeigte anhand der stark rückläufigen Lehrlingszahlen und Ausbildungsstätten – nahezu eine Halbierung binnen zehn Jahren – auf, wie sehr die Attraktivität des Berufsbildes gelitten hat. „Es hat sich einfach rundherum viel mehr geändert, als im Tourismus verändert wurde“, so Tusch selbstkritisch. Freizeit wird für junge Leute zum immer wichtigeren Faktor, Angebote dafür fehlten, die Bedürfnisse würden nicht erkannt. Tusch plädierte daher für „sanftere“ Einstiegsformen in den Tourismus, um die Integration in die Arbeitswelt zu erleichtern und zu verbessern.
Trotzdem bleibt das Abwanderungsproblem aus touristischen Berufen. Familienfeindliche Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung sind der Grund, warum Beschäftigte über 35 vielfach die Flucht in andere Branchen antreten. Dabei wolle man ja gerne bessere Gehälter zahlen – doch die Margen werden immer kleiner, beklagte die Geschäftsführerin von ÖBB Rail Tours, Eva Buzzi. Die Rahmenbedingungen hätten sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Buzzi bestätigte zugleich, dass man in Zukunft wieder viel aktiver auf Bewerber über 50 zugehen müsse, weil der Nachwuchs fehlt und das Know-how dieser Beschäftigtengruppe zählt.
Dialog mit Schulen intensivieren. Lösungsmöglichkeiten für den Fachkräftemangel sieht Michaela Reitterer in einer Intensivierung des Dialogs mit Eltern, Lehrern, Schulen und Hochschulen – nicht nur um die für die Wirtschaft richtigen und wichtigen Ausbildungsinhalte zu vermitteln, sondern auch, um die richtigen Leute für die Branche zu gewinnen. Berend Tusch forderte eine praxisorientierte Ausbildung, die Einhaltung von Rahmenbedingungen und einen fairen und partnerschaftlichen Umgang im Betrieb. Harald Hafner plädierte für eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis im Rahmen der dualen Ausbildung, um die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage zu überbrücken.