154 FSME-Fälle wurden 2018 in Österreich registriert. Eine so hohe Fallzahl gab es seit über 20 Jahren nicht – trotz einer im internationalen Vergleich hohen Durchimpfungsrate. Mehr als die Hälfte der Betroffenen litt oder leidet noch immer unter schweren neurologischen Verlaufsformen. Die Gründe für die vielen Fälle dürften vielfältig sein und reichen vom schönen Wetter, das besonders viele Menschen ins Freie gelockt hat, über eine letztes Jahr besonders hohe Zeckendichte bis zur möglicherweise nicht immer im richtigen Zeitfenster durchgeführten FSME-Auffrischungsimpfung. Experten warnten am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien davor, die vorgeschriebenen Impf-Intervalle zu überschreiten.
FSME kann jeden treffen. 1999 wurden in Österreich 41 Fälle von FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) registriert[1], 2018 waren es wieder 154. Im Vergleich zu Vor-Impfzeiten, in denen jährlich zwischen 280 und 700 Personen an FSME erkrankt sind, ist das dennoch eine vergleichsweise niedrige Zahl. Aber, so betont Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien: „Sie könnte deutlich niedriger sein, wenn sich jeder in Österreich konsequent impfen ließe – unabhängig vom Alter.“ Denn: 2018 war der jüngste Patient drei Jahre alt, der älteste 85. Insgesamt waren mehr als die Hälfte der Betroffenen über 50, jedoch wurden auch 28 Kinder unter 15 Jahren wegen FSME im Spital behandelt. „Jeder einzelne Patient ist einer zu viel!“, so Thalhammer. 77 Personen litten 2018 an einem schweren Verlauf mit Beteiligung des Gehirns, der Gehirnhaut oder des Rückenmarks, nur ein Drittel davon wurde wieder vollständig gesund. Fünf Patienten sind 2018 an FSME verstorben.[2]
Inzwischen ist ganz Österreich FSME-Endemiegebiet, die meisten FSME-Fälle wurden aus Oberösterreich berichtet. Dort wurden 2018 auch neue Infektionsorte (Umgebung von Ried, Innernsee, Dorf an der Pram) außerhalb der bisher bekannten Endemiegebiete beschrieben.2
FSME-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu. In den vergangenen sieben Jahren mussten mehr als doppelt so viele unter 15-Jährige wegen FSME im Spital behandelt werden als im Vergleichszeitraum 2005 bis 2011.[3] Und das, obwohl es einen speziellen Kinderimpfstoff gibt und die Impfung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr empfohlen ist.1 „Die Sinnhaftigkeit der FSME-Impfung zweifelt kaum jemand an“, berichtet Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer. Trotzdem sinke die Zahl der gegen FSME-Geimpften. Die Gründe dafür seien meist banaler Natur, erläutert der Impfexperte: „Viele Menschen vergessen aufs Auffrischen oder finden keine Zeit, extra deswegen zum Arzt zu gehen. Manche verlängern allerdings das Impfintervall bewusst, weil sie fälschlicherweise glauben, dass die Impfung ohnehin weit länger voll wirksam ist. Hier muss man aus ärztlicher Sicht ganz klar sagen: Der nahezu hundertprozentige Schutz der FSME-Impfung ist nur dann gegeben, wenn das Impfschema eingehalten wird.“
Hohe Zeckenaktivität. Die vielen – durch einen Zeckenstich übertragenen – FSME-Erkrankungen 2018 spiegeln sich auch in der Zeckenaktivität wider. „Laut deutschen Zeckenforschern wurde sowohl subjektiv als auch objektiv eine erhöhte Aktivität der Zecken an vielen Orten festgestellt“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Georg Duscher vom Institut für Parasitologie von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Eine Erklärungsvariante wäre eine höhere Zeckendichte, so der Zeckenforscher. Dies passe zu Hinweisen, die auf einen allgemeinen Trend zu einer höheren Zeckenaktivität in den letzten Jahren – zum Beispiel aufgrund einer besseren Verfügbarkeit von Wirtstieren (Rehe, Mäuse, etc.) – deuten würden. Möglich sei aber auch, dass die erhöhte Zeckenbefallszahl einfach nur darauf zurückzuführen ist, dass sich Mensch und Tier mehr als üblich im Freien aufgehalten haben und dadurch mehr exponiert waren.
Neue Zeckenart entdeckt. Befallen werden kann man seit kurzem auch von einer neuen Zeckenart. „Die tropische Riesenzecke, die letztes Jahr vereinzelt in Deutschland und Österreich entdeckt wurde, kommt normalerweise in tropischen, beziehungsweise subtropischen Gebieten vor und gilt als Überträgerin des Krim-Kongo-hämorrhagischen Fiebers und des Zeckenfleckfiebers“, erläutert Duscher. „Die Nymphen dieser Zecken werden wahrscheinlich im Frühjahr mit den Zugvögeln aus dem Süden zu uns gebracht und konnten sich 2018 aufgrund der warmen Witterungsverhältnisse weiterentwickeln“, so Duscher. „Bei einigen wurden auch die Erreger des Zeckenfleckfiebers, nicht aber des Krim-Kongo-Fiebers gefunden. Hinweise darauf, dass 2018 das Zeckenfleckfieber auf einen Menschen in Österreich übertragen wurde, gibt es derzeit nicht.“
Impfaktion bereits angelaufen. „Von allen Krankheiten, die Zecken bei uns übertragen, ist FSME immer noch die schwerwiegendste“, bringt Dr. Christiane Körner, Apothekerin und Impfexpertin, den aktuellen Stand auf den Punkt. Die wichtigste Präventionsmaßnahme gegen FSME sei ein aktueller Impfschutz. „Daher gibt es auch heuer wieder eine FSME-Impfaktion. Diese läuft bereits seit Februar und dauert noch bis Ende August. Die FSME-Impfstoffe werden in diesem Zeitraum zu vergünstigten Preisen in allen öffentlichen Apotheken angeboten“, ergänzt Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger von der Österreichischen Apothekerkammer. „Die Sonderpreise betragen für Erwachsene EUR 35,80 und für Kinder EUR 31,30. Darüber hinaus gewähren alle Krankenkassen einen ganzjährigen Kostenzuschuss in unterschiedlicher Höhe. Der Kostenzuschuss wird direkt in der öffentlichen Apotheke vom Aktionspreis abgezogen.“
Praktische Hinweise
Um sich auch gegen andere, von Zecken übertragene Krankheiten wie Borreliose zu schützen und erste FSME-Symptome so früh wie möglich zu erkennen, gibt Körner noch folgende Tipps:
- Körper nach einem Aufenthalt im Freien nach Zecken absuchen und entdeckte Zecken so schnell wie möglich entfernen
- Wenn sich nach etwa vier Wochen ein rötlicher Kreis bildet, sollte eine mögliche Borreliose vom Arzt abgeklärt werden
- Bei grippeähnlichen Symptomen nach einem Zeckenstich sollte man sich ebenfalls an einen Arzt wenden. Wer sich im korrekten Impfschema befindet, hat aber keinen Grund zur Beunruhigung
Hinweis: Wer eine große Zecke mit „gestreiften“ Beinen sieht: Bitte abfotografieren oder in einem verschließbaren Plastikgefäß an die Veterinärmedizinische Universität schicken, um weitere Forschungen zu ermöglichen.
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[1] Österreichischer Impfplan 2019
[2] Zentrum für Virologie, Medizinische Universität Wien, Virusepidemiologische Information Nr. 02/19-7
[3] Zentrum für Virologie, Medizinische Universität Wien, Virusepidemiologische Informationen 2005-2018