Botulinumtoxin hat in vielen medizinischen Bereichen bereits Tradition. Neu in unseren Breiten ist die verbesserte Anwendung bei mittelschwerem Übergewicht
Für die einen DAS Zaubermittel gegen Falten, für die anderen ein Nervengift. Nur wenige wissen, dass mittels Botox-Anwendung mannigfache therapeutische Erfolge bei den unterschiedlichsten Gesundheitsproblemen erzielt werden. Und das in vielen Bereichen schon seit Jahren.
Das Wirkprinzip
Einfach ausgedrückt: Botuliniumtoxin A, so die medizinische Bezeichnung von Botox, hemmt die Übertragung von Erregungen zwischen den Zellen. Wird es in Muskelzellen injiziert, verhindert es, dass Muskeln den Befehl erhalten, sich zusammenzuziehen. Die Folge: Sie relaxen und dadurch lösen sich u.a. schmerzhafte Muskelverspannungen.
Dieses Wirkprinzip macht man sich seit langem in der Neurologie zunutze, wo die Anwendung von Botolinumtoxin bereits seit den frühen 1980er Jahren zugelassen ist. Gute Therapieerfolge erzielt man etwa bei speziellen Bewegungsstörungen im Kopfbereich, wie etwa Schielen, Lidkrampf, Schiefhals oder Stimmbandkrampf.
Große Tradition in der Neurologie
Auch bei chronischer, therapieresistenter Migräne verzeichnen Neurologen, die für die Botox-Behandlung zertifiziert sind, beachtliche Ergebnisse: „Die Verabreichung von Onabotulinumtoxin A erfolgt nach einem genau festgelegten Plan, dem sog PREEMPT Schema. Dabei werden an bis zu 40 Stellen an Kopf, Nacken und Schulterbereich je 5 Einheiten verabreicht“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christian Wöber, Leiter des Spezialbereichs Kopfschmerz und Akutambulanz an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni-Wien/AKH. Der Spezialist: „Therapieziel ist eine Reduktion der monatlichen Migräne- und Kopfschmerztage um zumindest 50%. Spricht man auf eine zweimalige Behandlung nicht an wird die Therapie üblicherweise beendet.“
Ein weniger schmerzhaftes, aber für Betroffene durchaus unangenehmes Thema ist vermehrte, krankhafte Schweißbildung in Achselhöhlen und Handflächen. „Hier lässt sich durch Reduktion der Schweißdrüsen-Aktivität der Leidensdruck stark verringern“, berichtet Neurologin Dr. Jasmin Kechvar, Oberärztin am Evangelischen Krankenhaus.
Rund 90% der Betroffenen profitieren von einer Botox-Injektion bei Schluckstörungen, die auf einen beeinträchtigten Speiseröhren-Schließmuskel (Achalasie) zurückgehen. Auch hier hält der Behandlungserfolg rund ein halbes Jahr an.
Bei Blasenfunktionsstörungen wie einer Reizblase lässt sich durch Botox der verstärkte Harndrang auf ein normales Maß reduzieren. ,,Das Nervengift wird während eines etwa zehnminütigen Eingriffs unter Narkose an zehn bis zwanzig Stellen des Blasenmuskels in geringer Dosis eingespritzt, sodass man einige Monate Ruhe hat“, erläuterte Dr. Ralf Thiel, Urologie-Chefarzt der Asklepios-Paulinen Klinik, bei der Veranstaltung „Medizin bürgernah“.
Neu: Botox gegenüberschüssige Kilos
Und neuerdings hat man auch das nötige Wissen, um Botulinumtoxin erfolgreicher und gezielter gegen leichte bis mittelschwere Adipositas (BMI 27 – ca. 40) einzusetzen. „Spritzt man Botulinumtoxin an 20 ganz bestimmten Stellen im Magen, verlangsamt das nicht nur die Magenentleerung, sondern reduziert auch das Hungergefühl. Dieses Knowhow, nämlich die Kombination aus längerem Sättigungsgefühl bei gleichzeitig weniger Appetit erleichtert nun das Abnehmen deutlich“, erläutern die Chirurgen Dr. Katayoun Tonninger und Dr. Friedrich A Weiser, die ersten Fachärzte, die „Magenbotox“ in Österreich im Rahmen einer Gastroskopie anwenden. Die ersten Patientenerfahrungen zeigen auch, dass dadurch binnen eines halben Jahres durchaus 10-15 kg an überschüssigem „Ballast“ wegschmelzen kann. Die ambulante Anwendung lässt sich bis zu dreimal wiederholen. Dr. Friedrich Weiser: „Mit dieser Anti-Hunger-Spritze, also Magenbotox, steht uns jetzt das Missing-link zwischen teuren Diätkur-Aufenthalten und den Körper belastenden, invasiven Eingriffen wie etwa dem Magenbypass zur Verfügung“.
Für alle Botox-Anwendungen gilt:
Die Therapie soll jeweils nur von Spezialisten ihres Fachs angewandt werden. Sowohl die Dosierung als auch die Platzierung erfordern umfassende Kenntnis und Erfahrung.
Ein Vorteil ist jedenfalls die Schnelligkeit der Anwendung. Das Injizieren ist eine Angelegenheit von Minuten, je nach Region der Anwendung kann eine begleitende Sedierung gesetzt werden. Die Wirkung tritt in der Regel relativ schnell, binnen weniger Stunden oder Tage, ein.
Botox in der Medizin – ein beispielhafter Überblick
Wo die muskelentspannende Wirkung von Boltulinumtoxin bereits genutzt wird
Med. Fachgebiet | Krankheitsbild |
Neurologie | Migräne |
Dystonien (Lidkrampf, Schiefhals, Stimmbandkrampf, Spasmen an Fingern und Zehen)In Erforschung: Epilepsie | |
Krankhaftes Schwitzen in Handflächen und Achselhöhlen (Hyperhidrose) | |
Gastroenterologie | Spezielle Art der Schluckstörung (Achalasie) |
Chirurgie | Leichte bis mittelschwere AdipositasAnismus (Stuhlentleerungsstörung durch Beckenbodenkrampf) |
„Schönheitschirurgie“ | Faltenbildung |
Urologie | Blasenkrampf |
Zahn-, Mund-Kieferheilkunde | Zähneknirschen |
Grafik Magenbotox: © G. Slavik, Grafik Medizinischer Einsatz Botox © C. Piswanger, Titelbild: Bild von HeungSoon auf Pixabay