Edelpilze aus deutscher / heimischer Zucht – was spricht dafür, was spricht dagegen?
Wegen Risiken und Nebenwirkungen fragen sie den Trüffelsucher oder den Experten. Oder gleich beide Fachleute in einer Person: Wir sprachen mit Klaus Wilhelm Gérard, Autor, der einzige Deutsche mit Lizenz zum Trüffelsuchen in Italien/Le Marche und Veranstalter von Trüffelreisen.
Schlagzeilen schrecken auf. Immer zur vermeintlichen Trüffelzeit schrecken Schlagzeilen die Feinschmecker auf: „Trüffel aus dem Weinberg!“ – „Wird Franken das neue Piemont?“. Die Händler erblassen, wenn sie lesen: „Verfall der Trüffelpreise durch Trüffelanbau in Deutschland?“ Ist Deutschland tatsächlich – so ein anderer Titelseiten-Knaller – „Die verspätete Trüffelnation“?
Drei Dinge vorweg: Erstens: Die Trüffel ist laut Duden weiblich, Mehrzahl die Trüffeln. Soviel Kenntnis muss sein, wenn man seine stinknormalen Spaghetti mit ein paar erotisch duftenden Scheibchen Luxuspilz zum Höchstpreis aromatisiert. Gerade weil das einfache Volk die edle Pilz-Praline mit dem maskulinen „der“ verbalhornisiert.
Zweitens: Nein – es gibt keine Saison. Trüffeln sprießen nicht nur im Herbst, sondern das ganze Jahr über.
Drittens: Ja – Trüffeln gibt auf der ganzen Welt, und zwar in 252 verschiedenen Sorten. Folglich also auch in Deutschland. Das ließ schon unsere Altvorderen nicht ruhen:
Kuhjauche über Trüffelschnitzel. Schon 1822 erschien eine Broschüre mit dem Titel „Der Trüffelbau in Deutschland“. Das Büchlein verweist in vaterländischer Manier darauf, dass man dem „Franzmann“ und dem „Italiener“ nicht den Reibach mit den Trüffeln überlassen solle. Schon aus purer Heimatliebe müsse man deshalb die lukrativen Knollen selber anbauen. Gründlich wird sodann die Anlage eines Trüffelbeetes erklärt: Man mache eine Grube, fülle diese mit Ästen und viel Laub, verteile klein gehackte Trüffeln, gebe Eisenschlag dazu (das sind Eisenbrösel, die beim Schmieden entstehen), kippe Kuhjauche darüber und decke alles mit Erde ab. Und warte.
Viele hoffnungsfrohe Investoren legten damals Plantagen an, zerschnippelten jede Menge teure Trüffeln – und warteten vergebens auf das große Geld. Verdient, und nicht zu wenig, haben allein die halbseidenen Vermittler, oft verkrachte Adelige. Wir sprechen vom Jahr 1822. In Italien hat man sich dagegen dem Thema inzwischen wissenschaftlich genähert.
Trüffel von der Universität. In Italien wird schon seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ebenso seriös wie erfolgreich geforscht. An der Landwirtschaftlichen Universität in Perugia beispielsweise hat man die Trüffelzucht perfektioniert. Sie hat mittlerweile einen erheblichen Anteil an der gesamten jährlichen Trüffelproduktion in Italien. Schätzungen liegen bei über 50 Prozent.
Ein großes Problem ist allerdings, dass man die wirklich teuren und äußerst begehrten weißen Trüffeln (tuber magnatum pico) nicht züchten kann. Ein Manko, das beispielsweise auch die Steinpilze so begehrt wie teuer macht. Es herrscht die Meinung vor, die weiße „Alba“-Trüffel (präziser wäre Herrentrüffel), käme ausschließlich aus Alba im Piemont. Doch der Tuber magnatum wird auch – in nicht geringerer Qualität und meist noch größerer Menge – in den italienischen Regionen Le Marche, Emilia Romagna, Molise und Abruzzen gefunden. Aber auch in Istrien, Kroatien und Slowenien – und zwar von Oktober bis Dezember.
Ganz passable Zuchterfolge. Passable Zuchterfolge hat man dagegen mit der Sommertrüffel (tuber aestivum vitt.), der ähnlichen Burgundertrüffel, der Norcia– bzw. Périgordtrüffel (tuber melanosporum vitt.), der weißen Frühjahrstrüffel Bianchetto (tuber borchi pico), allesamt Sorten, die einen recht guten kulinarischen Wert haben. Die minderwertigen schwarzen Trüffelsorten aus China oder die Weißen aus der Wüste von Marokko (eine Kartoffel hat mehr Geschmack!) lassen sich durchaus ergebnissicher züchten. Auf dem Viktualienmarkt in München beispielsweise zeichnen zuverlässige Händler die asiatische oder afrikanische Herkunft ihrer Ware pflichtgemäß aus – und empfehlen die Zugabe von etwas Trüffelöl. Ergo: Problem erkannt – Problem gelöst?
Künstliche Aromen aus Flüssiggas. Keine Frage – der Zauber der Trüffel ist ihr unnachahmlicher Duft. Und der wird häufig chemisch produziert. Trüffelöle sind sogenannte Kondimente, also Würzsaucen, versetzt mit „naturidentischen“ Aromen. Diese werden aus Flüssiggas hergestellt und schmücken sich mit der appetitlichen Bezeichnung “Bismethyltiomethan”. Das eröffnet nun weite Möglichkeiten zum Betrug. Von gelegentlichen schwarzen Schafen ganz zu schweigen, die vertrauensseligen Trüffelfreunden Marokko-Ware als Bianchetti oder gar China-Exporte als Périgordtrüffeln andrehen. Der Dumme ist jedenfalls der gutgläubige Kunde. Den faulen Kauf zu reklamieren wäre für ihn peinlich, und so werden diese Betrügereien auch weiterhin stattfinden.
Erotische Erinnerungen. Wie schon erwähnt, gibt es auf der ganzen Welt Trüffeln. Auch in England, in Texas, Russland, Tasmanien und in Bayern. In Sachsen und in der Pfalz gab es vor 200 Jahren sogar königliche Trüffeljäger, die mit ausgebildeten Suchhunden aus Italien auf Pirsch gingen. Trüffeln waren von jeher etwas Besonderes und dem Adel vorbehalten Sie waren zwar von der Kirche verboten, aber die höheren Chargen gaben sich großzügig Dispens. Die Knollen galten als Teufelszeug – als Wesen, die bei Blitz und Donner gezeugt und weder Tier noch Pflanze waren. Und sie hatten den Nimbus, potenzfördernd zu sein. Der französische Feinschmecker Brillat-Savarin schreibt 1850 in seiner „Physiologie du Gout“: „Wer Trüffel sagt, spricht ein großes Wort, das beim Geschlecht der Unterröcke erotische und gastronomische Erinnerungen und beim Geschlecht der Bärte gastronomische und erotische Erinnerungen erweckt“. Mehr noch als eine Zunahme der Liebeslust erhofften sich die immerhin finanziell potenten Konsumenten von ihren Trüffel-Gelagen eine Steigerung ihres gesellschaftlichen Prestiges: Wer sich öffentlich solchen Luxus leisten konnte, musste wirklich mächtig sein.
Vom Tartufo zur Tartuffel. „Terra tufata“ bedeutet “lockere Erde”, und daraus wurde tartufo. In Deutschland, vor allem in Bayern wandelte sich das Wort zu „Tartuffel“ und „Kartoffel“. So hatte die Kartoffel, die zwar schon 1570 aus Südamerika nach Europa gekommen und 1596 im Pflanzenkatalog und Garten des Botanikers John Gérard aufgetaucht war, auch ein wenig vom Ruhm der begehrten Trüffel abbekommen. Schließlich war sie ihr ja von der Form und vom Fundort her nicht unähnlich.
Die Trüffeln stehen in Deutschland unter Naturschutz, auch wenn niemand mehr weiß, warum. Manchmal werden sie gefunden, weil sie einfach aus dem Boden herauswachsen und Spaziergänger darüber stolpern. Solche Fundstücke, wie beispielsweise die Mäandertrüffel oder die Burgundertrüffel (oft sind es auch nur Boviste), haben meist keinen Geruch und wenig Geschmack. Die Mäandertrüffel etwa ist weiß-grau und kann faustgroß werden. Ein altes bayerisches Kochbuch empfiehlt: Man nehme ein bis zwei Kilogramm Trüffeln, schneide sie „blättlichst“ und koche sie zwei Stunden bei mittlerer Hitze. Das klingt barbarisch, aber durch das Kochen wurde dieser Pilz zumindest genießbar. Ungekocht hätte er die Verdauung erheblich gefördert.
Lohnt sich die Zucht? Doch nun zur Grundfrage: Lohnt sich die Trüffelzucht? Wir machen einmal die Rechnung auf: Die erste Investition ist eine Bodenanalyse. Sie allein gibt eine Hinweis auf die passende Trüffelart. Zur Anlage einer Plantage werden Hasel- oder Eichensetzlinge gebraucht, deren Würzelchen mit Sporen von Trüffeln mykorrhiziert wurden (Mykorrhiza heißt die Lebensgemeinschaft zwischen Wurzeln von Blütenpfllanzen und Pilzen). Ein solches Baumkind kostet 25 Euro. Etwa 1000 Bäumchen sollte man schon pflanzen. Das sind dann 25.000 Euro. Dazu braucht man zwei bis drei Hektar Grund, denn irgendwann wachsen die Bäumchen zu Bäumen heran. 1.000 Euro Jahrespacht summieren sich in zehn Jahren auf 10.000 Euro. Für Pflanzung und Pflege dürften nochmals 15.000 Euro dazukommen, derselbe Betrag für die Einzäunung. Zusammen mit allerlei Nebenkosten kommt das ganze Projekt also auf gut 70.000 Euro.
Wenn dann schließlich alles steht, heißt es abwarten, so sechs bis acht Jahre – oder gar zehn. Irgendwann werden vielleicht Trüffeln wachsen, doch niemand weiß wann oder wie viele. Ein harter Winter genügt, und das zarte Myzel erfriert oder vertrocknet. Wildschweine, Marder und Mäuse holen sich ihren Anteil an der Delikatesse. Vorhersagen sind so unverbindlich wie die Wetterprognosen, und niemand wird eine Garantie geben können.
Ein listiges Geschäftsmodell. Patenschaften gibt es für viele Dinge – für Weinstöcke, Hunde aus Spanien, Parkbänke. Und nun auch für Trüffelbäume. Der „Münchner Merkur“ vom 27. April 2014 berichtet von einem Züchter, der am Starnberger See eine Trüffelplantage anlegen und bis zu 950 Bäumchen pflanzen will. Dafür hat er angeblich 30 Investoren gefunden – Ärzte, Architekten, Anwälte, eben die üblichen Interessenten. Die wurden dann mit 1.500 Euro Pate für einen Baum, oder mit 800 Euro für einen halben. Gehen wir von der Marke 1000 aus, wären das insgesamt eineinhalb Millionen Euro. Der Pate kann sich laut den Geschäftsbedingungen nach einer sechs- bis zehnjährigen Wartezeit bestenfalls 20 Jahre lang über den Ernteerlös (abzüglich 10 Prozent Selbstbehalt des Trüffelbauern) freuen. Doch das Gesetz der Natur schreibt vor, dass nach 10 bis 15 Jahren die Produktion – so es denn eine gibt – erheblich zurückgeht.
Das böse Erwachen. Schauen wir uns nun die Trüffelpreise an. Da gibt es die Geschichte von dem Japaner, der für eine Riesentrüffel 125.000 Dollar bezahlt haben soll. Das war angeblich bei einer Benefiz-Versteigerung und somit kein verbindlicher Marktpreis. Ein Gramm weiße Trüffel kostet im Edelrestaurant bis zu 15 Euro, das Kilogramm demnach 15.000 Euro. Ein Gastronom bezahlt pro Kilogramm zwischen 4.000 und 6.000 Euro. Der Großhändler seinerseits hat zuvor den einfachen Trüffelsucher je nach Qualität und Nachfrage mit 1.000 bis 2.000 Euro abgespeist.
Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von dem begehrten Tuber magnatum pico . Für die Sommertrüffel (Tuber aestivum vitt.) bekommt der italienische Trüffelsucher oder Trüffelzüchter – große Enttäuschung! – allenfalls 80 bis maximal 120 Euro pro Kilogramm. Und dabei entwickeln diese Trüffeln einen wunderbaren Geschmack, wenn sie reif sind.
Nur der große Pate gewinnt. Wenn nun die kälteresistenten deutschen Trüffeln wirklich fruchten, welcher Preis wird dann bezahlt? Soviel wie für die China- oder Marokkotrüffeln? 20 oder 25 Euro pro Kilogramm? Nach Angaben des Trüffelbauern vom Starnberger See soll ein Bäumchen in voller Produktion 400 bis 800 Gramm pro Jahr abwerfen, also einen Reibach von 15 bis 20 Euro. Ein lukratives Geschäft? Für den großen Paten ja, nur nicht für die kleinen Investoren. Aber kennen wir dieses Spiel nicht von der Anlagenwirtschaft?
Es gibt viele Lebensmittel, die nur in einer bestimmten Region richtig gedeihen. Weil sie eben genau dort wegen dem speziellen Boden, der besonderen Luft, der idealen Witterung und allerlei regionalen Vorzügen über Generationen optimiert werden konnten. Man hat versucht, San-Daniele-Schinken, Parmesankäse, edle Weine und andere berühmte Spezialitäten zu kopieren – das Original wurde nie erreicht. Bei den Trüffeln wird es nicht anders sein. Die Trüffelinvestoren werden sich nach geraumer Zeit von ihrer Enttäuschung erholen und neuen Objekten zuwenden. Die italienischen und französischen Trüffeln werden die Konkurrenz überleben, und der Feinschmecker wird sie mehr denn je schätzen. Die Züchter aber werden es mit der Heimatliebe nicht mehr so genau nehmen und den Reibach lieber den italienischen und französischen Nachbarn überlassen.
Fotos: Alois Knürr Verlag/ Faszination Trüffel Suchen, Finden, Kochen….Geschichten und Geschichte über den teuersten Pilz der Welt von