Internationale Entwicklung am Prüfstand an der Med Uni Graz

Die im Rahmen des EU-Projektes „AP@home“ unter anderem an der Med Uni Graz entwickelte künstliche Bauchspeicheldrüse soll der gefährlichen Unterzuckerung von Typ-1 Diabetikern durch falsch dosierte Insulingaben entgegenwirken. Grazer Wissenschafter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel um Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber (Manuel Holzer, Harald Kojzar, Julia Mader) konnten nun erstmals in einem dreimonatigen Experiment unter realen Lebensbedingungen die Sicherheit des künstlichen Organs bestätigen und ebnen damit den Weg zur Anwendung für Millionen von Betroffenen. Die Ergebnisse dieser Studie konnten bereits in einer der einflussreichsten medizinischen Fachzeitschriften – dem New England Journal of Medicine – publiziert werden und stellen dadurch einen Meilenstein in der Diabetesforschung dar.

Diabetes Mellitus ist eine der weltweit häufigsten Stoffwechselerkrankungen, wobei aktuell rund 10% der gesamten Weltbevölkerung betroffen sind. So beschreibt beispielsweise die International Diabetes Federation die chronische Erkrankung als Epidemie des 21. Jahrhunderts. Die „Zuckerkrankheit“ kennt zwei verschiedene Ausprägungen: Kann die Bauchspeicheldrüse den Körper gar nicht oder nur unzureichend mit dem lebenswichtigen Insulin versorgen, spricht man von Diabetes Mellitus Typ 1.
Ist der Körper jedoch nicht in der Lage das vorhandene Insulin richtig zu nutzen, nennt man diese Form der Erkrankung Diabetes Mellitus Typ-2. „Beim gesunden Menschen wird Insulin durch die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse bedarfsgerecht ausgeschüttet und so der Blutzuckerspiegel auf stabilen Niveau gehalten“, erklärt Ass.-Prof.in PDin Dr.in Julia Mader, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Med Uni Graz. Wenn der Körper wie bei Typ-1 DiabetikerInnen nicht in der Lage ist Insulin zu produzieren, entwickelt sich ein erhöhter Blutzuckerspiegel, der bei langjährigem Bestehen zu schweren Organschäden – vor allem an den Nieren – zur Schädigung des Nervensystems sowie der Netzhaut führen kann.

Individuelle Insulingabe: Gleichung mit vielen Unbekannten
Derzeit besteht das Diabetesmanagement aus einem dreistufigen Prozess: Mehrmals täglich muss der aktuelle Blutzuckerspiegel an der Fingerkuppe gemessen werden. Daraufhin errechnen die Diabetes-Typ-1 Patienten die benötigte Insulinmenge zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels anhand des aktuellen Wertes in Kombination mit der geplanten Mahlzeit und der geplanten
körperlichen Betätigung. Schließlich wird die errechnete Insulinmenge mittels Insulinpen oder Insulinpumpe von den Betroffenen selbst verabreicht. „Die Abschätzung des tatsächlichen Insulinbedarfs stellt für Betroffene oftmals eine Herausforderung dar“, weiß Julia Mader. Da der Körper nicht immer gleich auf das verabreichte Insulin reagiert und viele Faktoren wie die Art der Ernährung und der körperlichen Betätigung, aktueller Allgemeinzustand oder Stresssituationen den Blutzuckerspiegel beeinflussen können, birgt die individuelle Insulingabe ein gewisses Risiko. In den letzten Jahren kam es vor allem im Bereich der Glukosemesssysteme zu einer Weiterentwicklung. „Sensoren im Unterhautfettgewebe sind nun in der Lage, kontinuierliche Glukosesignale zu liefern“, erklärt die Grazer Expertin.

Künstliche Bauchspeicheldrüse: Grazer Experten bestätigen Sicherheit
Im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojektes „AP@home“ wurde eine künstliche Bauchspeicheldrüse entwickelt, welche aus einem Steueralgorithmus für die bedarfsgerechte Insulingabe, einer Insulinpumpe und einem kontinuierlichen Blutzuckermesssystem aufgebaut ist. Internationale Projektpartner waren Wissenschafter der Universität Cambridge um Prof. Roman Hovorka, Forscher des Profil Stoffwechselforschungsinstitutes in Neuss um Prof. Lutz Heinemann und Experten der Med Uni Graz rund um Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel. Im Clinical Research Center der Med Uni Graz konnte nun die Sicherheit der künstlichen Bauchspeicheldrüse eindrucksvoll bestätigt werden. „Nach ersten 24-Stunden-Experimenten in unserem Forschungszentrum bzw. einwöchigen Heimanwendungen konnte nun auch in einem dreimonatigen Heimexperiment die
Wirksamkeit eindrucksvoll bewiesen werden“, freut sich Julia Mader.

Bei 33 erwachsenen Patienten mit Diabetes Mellitus Typ 1 wurde die künstliche Bauchspeicheldrüse über drei Monate angewandt und dabei mit der bestmöglichen Standardtherapie (sensorunterstützte Insulintherapie) verglichen. „Der Einsatz der künstlichen Bauchspeicheldrüse lieferte eine signifikante Erhöhung von rund 11% der Zeit im optimalen Blutzuckerzielbereich im Vergleich zur aktuellen Standardtherapie“, berichtet Julia Mader. Außerdem wies der mittlere Blutzuckerspiegel einen um 11mg/dl niedrigeren Wert auf. „Auch eine Verbesserung des Langzeitzuckers (-0,3% des Diabetesmarkers HbA1c) konnte bei gleichzeitig reduzierten Unterzuckerungen erreicht werden“, so die Studienautoren

 

Photonachweis: MED UNI GRAZ