Im Auftrag der Berliner Zeitung war Anna Mudry in den Jahren 1969 und 1973 unterwegs in Vietnam. Sie begegnet den Menschen dort mit warmherziger Offenheit und berichtet von den gesellschaftlichen Veränderungen und Auswirkungen, die der Krieg in Vietnam hatte.
Aus dem Vorwort: „Meine beiden Reisen nach Vietnam unternahm ich als freie Mitarbeiterin der Berliner Zeitung, nicht als Kriegsberichterstatterin. Das war nicht mein Anliegen, zumal die beiden jeweils mehrwöchigen Reisen in einer Verhandlungsphase ohne Bombenangriffe (Pariser Gespräche 1969) und nach Unterzeichnung des Friedensabkommens vom 27. Januar 1973 erfolgten. Ich wollte vielmehr darüber berichten, welche Auswirkungen der Einsatz der übermächtigen Kriegsmaschinerie mit Flächenbombardements, Kugelbomben, Napalm und chemischen Kampfstoff en auf die Menschen des kleinen südostasiatischen Landes hatte, über Leben und Sterben hinaus auf die Lebensentwürfe der Menschen und ihre vielfachen Beziehungen im Alltag, im Familienleben, in ihren sozialen und kulturellen Bindungen.“
Ihre Schilderungen persönlicher Schicksale bieten jenseits von politischer Ideologie und Parteinahme eine andere Perspektive auf das Leben in Vietnam, das für westliche Medien oft nur hinter dem eisernen Vorhang existierte. Mit ihrem Buch ermöglicht Anna Mudry nicht nur einen Einblick in die Geschichte Vietnams, sondern ermöglicht auch einen Zugang zu den Menschen selbst, zu ihren Lebenswegen und Erfahrungen.
Eine Episode aus ihrem berührenden Buch:
Der amerikanische General Curtis Lemay: »Wir werden Vietnam in die Steinzeit zurückbomben.« Sie bombten und bombten. Aber eines Tages trottete ein amerikanischer Pilot vor einer kleinen Vietnamesin her, in seine Gefangenschaft. Und dann, einige Jahre später, verschwanden die letzten amerikanischen Soldaten in den Rümpfen der Transportflugzeuge, die sie in ihre 10.000 Kilometer entfernte, des aussichtslosen Krieges müde gewordene Heimat brachten. (…)
“Lange ahnte Kim Lai nichts von ihrer Berühmtheit. Erst ein Jahr nach der Gefangennahme des Piloten sah sie zum ersten Mal das Foto, ohne zu wissen, dass es durch die Weltpresse gegangen war. »Als man mir das Bild zeigte, wunderte ich mich darüber, wie groß der Pilot war und wie klein ich daneben.« Jahre sind vergangen, seit die damals 17jährige Kim Lai in einer Dschungelzone ihrer Heimatprovinz Ha Tinh den Amerikaner abführte.
Nguyen Th i Kim Lai, damals Leiterin einer Dorfmiliz, und der gefangengenommene Pilot William Andrew Robinson im Jahr 1965. Das Foto wurde von dem vietnamesischen Fotografen Phan Th oan aufgenommen. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob diese Szene nachgestellt wurde.
Anna Mudry, in Warschau geboren, lebt seit 1944 in Deutschland. Nach ihrem Studium der Romanistik an der Humboldt Universität, Berlin, war sie bis 1974 journalistisch-publizistisch tätig. Danach arbeitete sie freiberuflich als literarische Übersetzerin, Herausgeberin und Autorin.
Das Buch:
Vietnam – Gesichter und Schicksale (menschen unterwegs), Pirmoni Verlag, Reihe „menschen unterwegs“, 2. Juni 2017, 14,90 €