Gustav Thöni war in den 1970er Jahren der beste Skifahrer der Welt, gewann viermal den Gesamt-Weltcup, fünf Weltmeistertitel sowie Gold und Silber bei Olympia. Später war der Südtiroler persönlicher Trainer von Alberto Tomba „La Bomba“. Am 28. Februar feiert Gustav Thöni seinen 70. Geburtstag. Wir haben uns mit ihm über die Pandemie, die Regierungs-Krise in Italien und seine ganz persönlichen Erfolgen und Erinnerungen unterhalten.

Herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag!


Dankeschön. Wie die Zeit vergeht… 70 Jahre klingt ganz schön alt. Dabei fühle ich mich wie 35.

Sind Sie als „35-Jähriger“ eigentlich schon geimpft?


Nein. Aber mit 70 zähle ich so langsam zur Risikogruppe. Sobald ich einen Termin bekomme, lasse ich mich impfen. Das ist Bürgerpflicht! Nur so kommen wir aus der Corona-Krise heraus.



Apropos Corona. Wie stark sind Sie von der Pandemie betroffen?


Wir sind eine alteingesessene Hoteliersfamilie. Wirtschaftlich gesehen ist Corona eine Katastrophe. Meine älteste Tochter Petra führt unser Bella Vista in Trafoi. Es ist seit Monaten geschlossen und alles steht still. Aber unser Hotel hat zwei Weltkriege überlebt, also werden wir auch Corona überstehen. Die Menschen haben weiterhin das Bedürfnis zu reisen und werden wiederkommen. Viele Stammgäste haben ihren Urlaub bereits auf nächsten Winter oder auf den Sommer verschoben. Letzten Sommer haben wir bewiesen, dass Hotelbetrieb und Corona funktionieren. Wir müssen eben lernen, mit dem Virus zu leben.



Sind Sie zufrieden mit der hiesigen Corona-Politik?

Unsere Politiker müssen derzeit eine sehr schwierige Situation bewältigen. Es fehlt jede Erfahrung auf diesem Gebiet. Trotzdem kann ich nicht alle Regeln nachvollziehen. Müssen in einem 50-Seelen-Bergdorf wie Trafoi die gleichen Regeln gelten wie in einer 4-Millionen-Stadt wie Rom?



Stichwort Rom: Italien leistet sich sogar eine Regierungskrise…

Darüber bin ich entsetzt. Aber ich habe Vertrauen in den Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Auch Mario Draghi hat bewiesen, dass er ein Krisenmanager ist. Er hat vermutlich die richtigen Rezepte, die es jetzt braucht. Man muss ihn nur lassen. Italien braucht jetzt kompetente Leute, die handeln statt reden.

Nun zu den schönen Dingen: Waren Sie in diesem Winter eigentlich Skifahren?

Weihnachten 2020 stand ich – das erste Mal in meinem Leben – nicht auf Skiern. Wir haben aktuell traumhafte Schneeverhältnisse, aber die Lifte stehen still. Normalerweise würde ich mit unseren Hotelgästen jetzt Skifahren. Es ist zum Weinen, aber man muss sich arrangieren. Ich habe mir Tourenski besorgt und gehe mit den Fellen hoch, um dann mit Freude abzufahren. Das erinnert mich an meine Kindheit, da hatten wir auch keinen Lift.



Erzählen Sie doch mal von Ihrer Kindheit. Hatten Sie damals Vorbilder?


Mein erstes Vorbild war mein Vater Georg. Er war ein stilistisch perfekter Skifahrer, der als junger Kerl auch mehrere nationale Titel gewann. Später eiferte ich Toni Sailer nach. Er hatte 1956 – da war ich fünf Jahre alt – bei den Olympischen Spielen in Cortina d’Ampezzo drei Goldmedaillen gewonnen. Als Kind hatte ich ein Buch von ihm unter meinem Kopfkissen und habe alle Bildsequenzen genauestens studiert. Übrigens stammen Toni Sailers Vorfahren auch aus Trafoi. 



Aktuell findet in Cortina die Alpine-Ski-WM statt. Was verbinden Sie mit dem Ort? 

Die Rennen verfolge ich alle am Fernseher. Ich habe auch eine Einladung, vielleicht fahre ich mal einen Tag hin. In Cortina feierte ich meine ersten großen Erfolge bei den Studentenmeisterschaften 1967. Sehr abenteuerlich war aber die Anreise: Mein Cousin Roland Thöni und ich waren damals im Internat in Meran. Wir mussten vollbepackt mit einem Riesen-Rucksack auf dem Buckel und zwei Paar Ski auf den Schultern mit dem Linienbus anreisen. Zuerst von Meran nach Bozen, dann von dort nach Cortina… Es fühlte sich an wie eine Weltreise. 

Lohn der Mühe: Ich gewann den Slalom an meinem 16. Geburtstag und tags darauf den Riesentorlauf. Nach den Studentenmeisterschaften habe ich mich auf die Spuren von Toni Sailer gemacht, um mir alle Pisten von Cortina anzusehen – von der alten Olympiapiste bis zur Freccia nel cielo an der Tofana. Ich war sehr beeindruckt. Für mich waren das damals die schönsten Pisten der Welt.

70 Jahre im Schnee: Was sind Ihre schönsten Erfolge und Erinnerungen?

Da gibt es sehr viele. Das Olympia-Gold von Sapporo 1972 ist etwas ganz Besonderes. Natürlich auch die Weltmeisterschaften von St. Moritz 1974, wo ich zwei Goldmedaillen holen konnte. Beim Slalom war ich nach dem ersten Durchgang nur Achter – dann ist mir ein Traumlauf gelungen. Spannend war auch 1975 das Finale um den Gesamt-Weltcup in Gröden: Franz Klammer, Ingemar Stenmark und ich waren am Ende der Saison punktgleich. Wir mussten einen alles entscheidenden Parallel-Slalom fahren. Vor 40.000 Zuschauern konnte ich schließlich meinen 4. Weltpokal gewinnen. Schöne Erinnerungen habe ich auch an meine Zeit als Trainer von Alberto Tomba – die war sehr spannend. 



Was bedeutet Skifahren für Sie?


Skifahren ist mein Leben. Als Kinder hatten wir sonst nichts. Durch das Skifahren und meine Erfolge durfte ich ein außergewöhnliches Leben führen. Das Skifahren hat dem kleinen, schüchternen Jungen aus dem Bergdorf Trafoi die ganze Welt geöffnet.



Wie feiern Sie Ihren 70. Geburtstag?


Große Feiern waren nie meins. So gesehen kommt mir Corona ganz gelegen. Ich werde bei uns im Bella Vista in Trafoi im Kreis meiner Familie feiern. Meine Frau Ingrid und ich haben drei Töchter und nun elf Enkelkinder zwischen drei und 18 Jahren. Da ist immer was los. Übrigens: Neun meiner elf Enkelkinder fahren schon Ski…

Fotos: Gustav Thöni privat, Enno Kapitza