Die derzeitigen Belastungen betreffen nahezu jeden Menschen in unserer Gesellschaft. Bei den einen steht die berufliche und damit auch private Existenz auf dem Spiel. Andere sorgen sich um ihre Kinder oder um ihre Eltern. Arbeitnehmer haben Angst, ihren Job zu verlieren, Unternehmer und Freiberufler haben schlaflose Nächte, weil sie noch nicht einmal von Woche zu Woche planen können. Medizinisches Fachpersonal arbeitet über die Grenzen der Belastbarkeit … Ob Existenzangst, Angst vor Krankheit oder Angst vor der Zukunft: Unserem Körper und unserer Psyche ist es relativ egal, wo die Angst ihre Ursache hat. Sie wirkt sich aus, ob wir es nun wollen oder nicht.

Aber woher kommt Angst?

Angstpatienten kennen die Säbelzahntiger, die an jeder Ecke auf sie warten und, wenn auch nicht real, eine wahre Bedrohung für sie darstellen. „Gesunde“ Menschen kennen diese Form der Ängste nicht, aber lernen sie durch die Pandemie gerade kennen. Allen voran das Gefühl, nichts mehr kontrollieren zu können, Gefühle der Ohnmacht und der Starre. Gefühle fliehen zu wollen oder zu kämpfen.

Angst ist nicht zu verwechseln mit Furcht. Letztere ist eine angeborene Schutzfunktion unseres Menschseins, die uns vor dem Abgrund rettet. Gehe ich zwei Meter zurück, hört die Furcht auf. Bei Angst sieht das schon ganz anders aus. Angst erwerben wir im Laufe unseres Lebens über negative Erfahrungen, sozialen Einfluss, familiäre Prägungen und Informationen. Wenn ein Mensch über längeren Zeitraum immer wieder mit Angst konfrontiert wird, sei es durch geleitete Informationen, durch Konditionierung oder durch Erfahrungen, die Angst auslösen, wird es schwer, dieser Angst psychisch zu entkommen. Denn durch ein inneres Bekämpfen der Angst wird sie nicht weniger, sondern oftmals mehr.

Was kann ich tun bei nicht pathologischen Angstzuständen?

Wenn Angst da ist, muss sie genau betrachtet und analysiert werden, damit man sie bearbeiten kann. Verdrängungen führen meist zu einer Potenzierung von Angstgefühlen und sind daher wenig sinnvoll. Zunächst einmal ist es wichtig, für sich alleine oder mit Hilfe von professionellen Begleitern zu überprüfen, ob die Angst wirklich real, im Sinne von wahr, ist? Nicht jede gefühlte Angst hat einen Realitätsbezug.

Ich kann mir also die Frage stellen: „Was passiert, wenn Situation X (z.B. Arbeitsplatzverlust) eintritt?“ „Bin ich dann wirklich nicht mehr lebens- bzw. überlebensfähig?“ oder „Wenn ich erkranke, heißt das dann, dass ich automatisch sterbe?“. Nachdem man sich Fragen gestellt hat, geht es um das Wahrnehmen von Perspektiven: „Welche Alternative habe ich?“ oder „Was könnte ich stattdessen tun?“ oder „Wie kann ich gesund bleiben und mir Gutes tun?“

Bei Kindern ist es hilfreich, die Angst lebendig werden zu lassen. Und auch bei Erwachsenen haben Visualisierungstechniken eine enorme Wirkung: denn dann ist die Angst kein abstraktes, nicht greifbares Gefühlskonstrukt mehr, sondern eine Art „Wesen“, mit dem man arbeiten und „sprechen“ kann – wir geben ihr einen Bezugspunkt. Oftmals reduziert sich Angst, wenn wir sie bewusst wahrnehmen und uns fragen, was sie uns „sagen“ möchte. Denn Fakt ist: eine selbstinduzierte oder fremdgesteuerte Angst löst in uns körperliches und geistiges Unbehagen aus und schwächt auf Dauer unser Immunsystem. Daran zu arbeiten bedeutet Selbstfürsorge. Kurzum: Vieles in unserem mentalen und emotionalen Erleben hängt von unserem Bewusstsein, unserer „Wahr-Nehmung“ ab.

Über Julia Bleser

Julia Bleser hat sich in ihrem Studium mit Klinischer Psychologie, Stresstheorien sowie mit Sozial-, Persönlichkeits- und Medienpsychologie beschäftigt und erklärt Wege aus der Angst in die Aktion.

Als Leiterin des Instituts für Bewusstseinspsychologie bildet sie u.a. zum systemischen Bewusstseinscoach und zum Stress Coach nach der MINDCLEANSE Methode aus.

Fotos: Julia Bleser, Pixabay.com/Wokandapix