Myofaszien können durch spezielle Techniken wie Yin Yoga, Rolfing oder spezielle fasziale Massagetechniken gezielt beeinflusst werden.

photoSagt u.a. Yogini Chiradina Cerweny in Wien, wo sie sich in ihrem Studio auf YINYOGA spezialisierte. Hier ihre Ideen: „Sich gut fühlen“ ist eines der wichtigsten Ziele unserer Yogapraxis, Therapie oder unseres Trainings. Damit assoziieren wir meist grosse mentale Klarheit und emotionale Leichtigkeit, die uns hilft, jede Herausforderung entspannt und fokussiert im Einklang mit uns selbst zu meistern. Was passiert bei unserem „Im Fluss sein“ ganzheitlich betrachtet auf der physischen Ebene? Welche Strukturen unterstützen und bedingen dieses Wohlgefühl? Und welche Rolle spielen Faszien?

Was sind Faszien?
1. Empfindungsfähige Multitasking-Netzwerke des Lebens
Im Aussen sind wir Faszien, den feinen, zähen, bindegewebige Häuten, meistens im Supermarkt begegnet: Es sind die zarten, milchig-weißen, leicht schimmernden Häute, die rohes Fleisch umwickeln und durchziehen. Auch in unserem Körper hüllen Faszien Muskeln ein und erlauben es, sie voneinander abzugrenzen. Mit ihrer Eigenschaft als räumlich trennendes und zugleich formgebendes Gewebe bilden sie die Grundmatrix des Lebendigen: Früchte wie Orangen, Zitronen oder Grapefruits besitzen auch diese kleinen Kammern, die von Häuten getrennt und gleichzeitig in Form gehalten werden. Faszien sind belastungsfähig, feucht und rutschig – die ideale Kombination um Stabilität und Bewegung zu ermöglichen.

Faszien kann man als die fehlende Variable in der Gleichung von Stabilität/Bewegung bezeichnen“. meint der Amerikaner TOM MYERS, DER BAHNBRECHENDE ARBEIT IM BEREICH DER ANATOMISCHEN ZUGLINIEN MIT SEINEM IN FACHKREISEN WELTBEKANNTEN BUCH „ANATOMY TRAINS“ geleistet hat. Myers war unter den ersten Pionieren im medizinischen Bereich, der immer wieder betont hat, dass wenn es um die ganzheitliche Betrachtung der Gesundheit geht, wir Faszien nicht mehr länger ignorieren können.
Die klassische Anatomie kennt ungefähr 600 verschiedene, von einander getrennte Muskeln im Körper. Myers meint: „Es viel wichtiger zu verstehen, dass diese 600 Muskeln eigentlich Bewegungspotential sind, dass sich in 600 Taschen eines faszialen Spinnennetz innerhalb des Körpers befindet. Von einander isolierte, unabhängige Muskeln ist eine Illusion, die durch das Skalpell entsteht, welches Gewebe entlang einer faszialen Linie trennt. Unsere Wahrnehmung wird durch dieses Bild von absolut getrennten Elementen innerhalb des Körpers verzerrt: In der gelebten Realität ist und bleibt der Körper eine Einheit.“
Fasziale Bindegewebe erfüllen jenseits der Trennung der Muskeln weitere wichtige Aufgaben innerhalb eines Organismus: Sie fungieren als Transportwege innerhalb des Körpers: Lymphe, die wichtige Aufbaustoffe zu unseren Zellen transferiert und Abbauprodukte von ihnen ableitet, fliesst zwischen den Gewebeschichten der Faszien. Jede Muskelbewegung unterstützt diesen Transport, muskuläre Verspannungen behindern ihn: es kommt zu einem Stau der Lymphe, zu Stagnation.Dadurch können fasziale Gewebeschichten verkleben: Faszien beginnen mit der Zeit, zwischen ihren eigentlich von einander getrennten Häuten kleine „Widerhaken“ wachsen zu lassen – ähnlich einem Klettverschluss („Fuzz“). Die Stagnation wird im Gewebe „eingefroren. Gezieltes Ansprechen und Stimulieren der Faszien lässt „Dinge wieder in den Fluss kommen“ – wenn wir dies zulassen, denn der Prozess ist ganzheitlich, bezieht die Emotionen wie geistige Prozesse mit ein.

Fakt ist: Faszien bringen alles miteinander in sinnliche Beziehung. Diese Bindegewebe, die entweder hauchdünn oder mehrere Millimeter stark sein können, haben keinen Anfang und kein Ende. Sie sind ein Geflecht von sich überlagernden, nahtlos ineinander übergehenden Schichten, die mit einem grossen Anteil an Rezeptoren und Nervenzellen ausgestattet sind, die unser Gehirn mit Sinnesempfindungen versorgen. Faszien bilden sozusagen den Außenposten unseres autonomen Nervensystems, das sich unserer bewussten Kontrolle entzieht und lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung oder Verdauung weitestgehend selbstständig reguliert. Faszien können somit als Sinnesorgan verstanden werden, das Reize empfängt, weiterleitet und diese dem Körper und seiner Intelligenz zur selbstständigen Steuerung zur Verfügung stellt.

2. Der Einfluss unserer Psyche auf die Faszienspannung
Faszien als alles miteinander verbindende Sinnesorgane und Aussenposten unseres autonomen Nervensystems: Wie beeinflusst dies unsere Haltung, emotional sowie strukturell? Gibt es hier eine im Körper erfahrbare Beziehung zwischen Geist, Emotion und Struktur?
Unsere Emotionen beeinflussen über das autonome Nervensystems in den gleitenden Gitternetzwerken der Faszien deutlich unsere Körper- und Faszienspannung: Innere Gelassenheit senkt diese, Stress steigert sie. Wird die Spannung nicht gelöst, finden wir keine innere Ruhe. Haben wir nie gelernt, uns wirkungsvoll auch auf der Ebene der Faszien loszulassen, identifizieren wir uns mit dem Zustand der Tonuserhöhung – Wir „sind halt so“. Auf der körperlichen Ebene steigt die Verletzungsgefahr: eine konstante zu hohe Spannung in den Gewebeschichten ist die Voraussetzung dafür, dass schon normale Bewegung den Körper „plötzlich“ verletzen kann: Wir „verletzen“ uns den Rücken – dabei haben wir uns doch „nur gebückt um den Schlüssel aufzuheben“.
Was wir dabei vergessen: Unsere unterdrückten und zurückgehaltenen Emotionen belasten über grosse Zeiträume unsere Faszien und die darin eingehüllten Muskeln. Stress wird nicht abgebaut, sondern im Körper gespeichert.

YIN YOGA BIETET DIE NOTWENDIGEN BEDINGUNGEN WIE RUHE UND BESINNUNG UM FASZIALE SPANNUNGEN ZU LÖSEN UND DIE DAHINTER LIEGENDEN, EINGEFRORENEN EMOTIONEN ZU BEFREIEN UND GEHEN ZU LASSEN.

3. Beweglichkeit und Kraft kommt von den Faszien
Unsere Emotionen haben einen Einfluss auf unsere Faszien – diese wiederum formen das Gerüst für unsere Gesamtbeweglichkeit. Doch nicht nur Stress, sondern auch Operationen, Schonhaltungen sowie genereller Bewegungsmangel und falscher Gebrauch des Körpers verkürzen und verhärten Faszien. Als Teil des selbstregulierenden System des Körpers werden sie durch die zuvor erwähnten Faktoren beeinflusst und dadurch „umstrukturiert“: Dabei nehmen die Flexibilität verleihenden Elastinanteile ab und werden durch zähe, kaum dehnbare Kollagenfasern innerhalb der Faszie ersetzt.. Die Folge: Verlust der Gleitfähigkeit der Gewebe und ein erhöhter Grundtonus, der uns starr und unbeweglich werden lässt. Wir verlieren unseren Bewegungsspielraum in Muskeln und Gelenken, Verletzungen können leichter entstehen.
Um Faszien als Teil des selbstregulierenden System des Körpers zu heilen, müssen wir zuerst einmal Bereiche ruhig stellen, sie still halten um den Prozess in Gang zu bringen. Danach wird Bewegung und Belastung wichtig um das fasziale Gewebe durch die verschiedensten Gewichtsbelastungen in 3D so zu stimulieren, dass es wieder „lernt“ in welche Richtungen es sich verzweigt und verstärkt.
Doch Faszien bestimmen nicht nur unsere Flexibilität – auch wenn es um Energiespeicherung und Krafterzeugung geht spielen sie eine Hauptrolle. Durch Dehnspannung werden in den Faszien Kräfte erzeugt, die über das fasziale Netz im Körper weitergeleitet werden und durch Muskeln verstärkt werden. Je elastischer die Faszien im Körper sind, umso mehr Energie kann durch Bewegung erzeugt, gespeichert und übertragen werden.

4. Faszien bestimmen unsere Form. Wir können sie beeinflussen!
Das Erscheinungsbild unseres Körpers wird durch Faszien geformt indem sie sich über Wochen, Monate und Jahren den unterschiedlichen Belastungen, die der Körper ausgesetzt ist, anpassen. Würden wir alle Organe, Knochen und Muskeln aus einem Menschen entfernen, könnten wir immer noch seine individuelle Gestalt erkennen.

Kollagene Verdickungen oder Verklebungen des Bindegewebes bestehen aus verfestigten, gelartigen Kolloide (Proteine in der Gundsubstanz der Faszien) die unter Einfluß mechanischer Kräfte vorübergehend flüssig werden (aus dem Gel- in den Solzustand übergehen) um sich nach der Manipulation im reformierten Zustand wieder zu verfestigen. Rezeptoren in den Faszien operieren als neurologische Schaltstellen die die neue Informationen direkt an das Nervensystem weiterleiten und somit das gesamte System nachhaltig positiv beeinflussen.

Mehr dazu: http://yinyoga.wien

FOTO: Yoga mitten im Wald – La Clairière bio & spahotel, Elsass