Lebenslange Wachsamkeit bei Infekten und kleinen Verletzungen

Die Infektion eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks gehört zu den gefürchtetsten Komplikationen in der Endoprothetik. Sie kann auch noch Jahrzehnte nach der Implantation auftreten – und zieht dann oft langwierige und aufwendige Behandlungen mit mehreren Operationen nach sich. Erreger aus einem Infektherd können sich über die Blutbahn auf das Implantat ausbreiten und dort vermehren. Träger von Gelenkprothesen sollten deshalb jedwede Infektion und Entzündung ernst nehmen und sich im Zweifel ärztlich beraten lassen, empfiehlt die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik. Die Fachgesellschaft rät, auch kleine Wunden, entstanden etwa beim Nägel schneiden, bei der Gartenarbeit, oder beim Spiel mit dem Haustier, immer sofort fachgerecht zu desinfizieren und im weiteren Heilungsverlauf im Auge zu behalten. Treten Beschwerden wie Rötung und Schwellung des Gelenks und vor allem anhaltende Belastungsschmerzen auf, sollten diese umgehend vom Arzt abgeklärt werden.

Mit etwa 440 000 Implantationen im Jahr gelten Hüft- und Knieprothesen als sichere und höchst erfolgreiche Maßnahmen zur Wiederherstellung von Schmerzfreiheit, Mobilität und sozialer Teilhabe. Dennoch erleiden etwa 0,5 bis zwei Prozent aller Patienten eine sogenannte periprothetische Infektion ihres Hüft- oder Kniegelenks (1). „Die Besiedelung mit schädlichen Bakterien kann sowohl in der frühen Phase nach der Operation als auch Monate bis Jahre danach auftreten“, sagt Professor Dr. med. Rudolf Ascherl, Präsident der AE und Direktor der Klinik für spezielle Chirurgie und Endoprothetik am Krankenhaus in Tirschenreuth. Dabei rufen die Erreger zunächst eine Entzündung in der Implantatumgebung hervor. Später löst sich der prothesentragende Knochen auf. Schmerzen und eine Lockerung des künstlichen Gelenks sind die Folge.

Neben den periprothetischen Infektionen, bei denen Bakterien bereits in seltenen Fällen im Rahmen der Operation eingebracht wurden, entstehen Implantatinfekte auch durch Zirkulation von Erregern im Blut. „Auslöser dieser über den Blutweg gestreuten Infektionen können größere Entzündungen, etwa von Blase oder Lunge sein“, sagt Professor Karl-Dieter Heller AE-Vizepräsident aus Braunschweig und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. Als weitere mögliche Ursachen kommen aber auch Bakterienquellen wie offene Beine (Durchblutungsstörungen), eine blutig verlaufende Zahnbehandlung, eine Darmspiegelung, bei der Polypen abgetragen werden, oder eine eher unscheinbare Verletzung beim Heimwerken in Frage“, so Ascherl, der auf die Behandlung von periprothetischen Infektionen spezialisiert ist. „Trägt der Patient weitere Fremdkörper, etwa künstliche Herzklappen, die sich infiziert haben, können auch diese Keime auf die Gelenkprothese verschleppt werden.“

Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper vor einer Ausbreitung von Infekten und eliminiert Keime, die über den Blutweg streuen. Ein Implantat ist jedoch ein unbelebter Fremdkörper. Er kann sich nicht selbst vor der Besiedelung mit Bakterien schützen (2). „Deshalb bleiben Bakterien dort bevorzugt haften. Da sie sich auf der künstlichen Oberfläche ungestört vermehren können, sind sogar schon verhältnismäßig wenige Keime in der Lage, eine ernsthafte Infektion auszulösen“, erläutert Ascherl die Problematik. Auf der Oberfläche der Prothesen beginnen sie bereits innerhalb von wenigen Tagen, einen Schleimfilm zu bilden. „Bakterien, die sich innerhalb dieses sogenannten Biofilms befinden, sind vor dem Angriff durch Antibiotika und des Immunsystems geschützt“, so der Orthopäde und Unfallchirurg weiter. Eine realistische Chance, die Infektion durch Antibiotika in den Griff zu bekommen, besteht deshalb nur in den ersten drei Wochen nach Beginn der Symptome.“ Umso wichtiger sei es, schnell eine Behandlung einzuleiten. „Patienten mit einem künstlichen Gelenk sollten deshalb ihr Leben lang ihren Körper von Kopf bis Fuß besonders aufmerksam pflegen“, so Ascherl. Und er betont: „Schmerzen am operierten Gelenk sind immer ein Alarmzeichen und müssen umgehend vom Arzt abgeklärt werden.“

Die anspruchsvolle Behandlung eines Protheseninfektes setze sehr viel Erfahrung voraus. Zudem sei eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen, etwa Mikrobiologen, Infektiologen, Internisten, Orthopäden und Fachpflegekräften wesentlich, betont der Experte. „Am besten sind Betroffene deshalb in einem spezialisierten Zentrum aufgehoben“, sagt auch Professor Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Charité. Doch die adäquate Versorgung sei unterfinanziert, so Ascherl weiter: „Die wenigen Zentren, die sich hierzulande dieser Patienten noch annehmen, weisen jährliche Finanzierungslücken in Millionenhöhe auf.“ Hier müsse von der Politik dringend nachgebessert werden, fordert der Präsident der AE.

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