Ob „Becoming“ von Michelle Obama oder auch „Herbstblond“ von Thomas Gottschalk – Leser stürzen sich auf Biografien von Promis, weil es ungemein spannend ist, wie jemand reich und berühmt geworden ist. Aber haben die Stars und Legenden ihre Biografien selbst bzw. alleine geschrieben? Lüften wir an dieser Stelle ein Geheimnis: Viele holen sich einen Ghostwriter an ihre Seite! Was das heißt und wie das funktioniert, verrät uns Pamela Obermaier im Interview. Sie ist mehrfache Bestsellerautorin, Inhaberin der Ghostwriting-Agentur DIE BUCHMACHERINNEN – und sie ist selbst Ghostwriterin.

WELLNESS: Würden Sie uns erst einmal erklären, was ein Ghostwriting bzw. ein Ghostwriter überhaupt ist?

Pamela Obermaier: Es schreibt natürlich kein Geist, wenn auch der Geist eines Schriftstellers – im anderen Wortsinn gemeint – viel dazu beiträgt, ob das Geschriebene auch lesenswert wird. Es handelt sich bei einem Ghostwriter um einen Auftragsschreiber, der im Namen eines anderen bzw. für einen Kunden ein Manuskript verfasst – und ein Ghostwriting ist somit nichts anderes als eine Dienstleistung. Ghostwriter arbeiten entweder im Auftrag eines Verlags (wenn der ein Buch über das Leben eines Prominenten verlegen möchte, aber der Promi selbst keine Zeit oder keine Lust hat, seine Geschichte selbst niederzuschreiben – oder wenn ihm das Talent zum Schreiben fehlt) oder eines auftraggebenden Autors (wenn der sein Buch als Self Publisher publizieren möchte), oder im Auftrag einer Agentur, die zwischen Autor und Verlag vermittelt.

Und der Name des Ghostwriters wird wirklich nirgends genannt?

Pamela Obermaier: Richtig, meistens scheint der Ghostwriter namentlich nirgends auf – weder auf dem Cover des betreffenden Buches noch in der Titelei, also etwa im Impressum. Es gibt allerdings Ausnahmen: Wenn der Ghostwriter ein bekannter Journalist oder eine erfolgreiche Autorin ist, wird der Name gern angeführt, denn dann wertet seine Erwähnung das Buch auf, wovon wiederum der beauftragende Autor und/oder der Verlag profitieren. Das war etwa bei Anna Veiths und Kira Grünbergs Biografien der Fall, die der renommierte niederösterreichische Sport-Journalist Manfred Behr verfasst hatte. Auch manche meiner Kunden wollten meinen Namen schon am Cover stehen haben, aber nicht immer entspricht das auch meinen Vorstellungen, weshalb ich das bis auf zwei spezielle Fälle abgelehnt habe. Wenn der Name des Ghosts abgedruckt wird, steht er meistens ein wenig kleiner unter dem des offiziellen Autors auf dem Cover, oder es wird die Formulierung „mit“ oder „unter der Mitarbeit von“ gewählt.

Wer lässt denn für sich schreiben bzw. für wen haben Sie schon geschrieben oder einen anderen Ghostwriter vermittelt?

Pamela Obermaier: Konkrete Namen darf ich freilich nicht nennen – als Ghostwriterin wie als Agentur-Inhaberin verpflichte ich mich selbstverständlich zur Verschwiegenheit darüber. Aber allgemein gehalten kann ich sagen: Profisportler tun es, Schauspieler genauso, und auch weniger prominente Personen lassen immer häufiger für sich schreiben: Sie engagieren einen Ghostwriter, um ihre Biografie oder ein Buch über ihre Profession veröffentlichen zu können.

Ist es nicht unfair und unethisch, so zu tun, als könne man schreiben und aber in Wahrheit einen Ghostwriter fürs offiziell eigene Buch zu engagieren?

Pamela Obermaier: Nein, aus meiner Sicht ist es das nicht – es ist sogar clever: Das Manuskript von jemandem, der ein gutes Ghostwriting in Auftrag gibt, wird wesentlich besser aussehen, als das von jemandem, der von sich denkt, es würde schon reichen, wenn man in der Schule ganz gute Aufsätze geschrieben hat, um ein wettbewerbsfähiges Buch zu produzieren. Zu wissen, was man kann und was man nicht kann – oder auch, wofür man genug Zeit und Leidenschaft aufbringen wird können – halte ich für eine überaus erfolgsbringende Fähigkeit. Im Idealfall kommen durch die Beauftragung eines Ghostwriters nämlich zwei Personen zusammen, von denen die eine die Expertise, das Wissen, die Erfahrung oder einfach die Lebensgeschichte mitbringt und die andere das Handwerk des Schreibens. Die Sache ist nun mal die: Nicht jede interessante Persönlichkeit, die etwas Spannendes weiterzugeben oder zu erzählen hat, ist gleichzeitig ein guter Schriftsteller. Selbst Menschen, die hervorragende mündliche Erzähler sind, können diese Begabung nicht unbedingt auch immer verschriftlichen. Es wäre doch aber schade, wenn wir auf diverse Lektüren verzichten müssten, nur weil der Autor kein Schreibtalent hat. Da hätten wir schon viele tolle Bücher verpasst!

Sie nennen den Auftraggeber auch „Autor“, obwohl er gar nicht schreibt?

Pamela Obermaier: Ja, wenn man die Bezeichnung „Autor“ genauer betrachtet, kann es sich auch um den geistigen Urheber eines Buches handeln und nicht nur um den Verfasser, also den tatsächlichen Schriftsteller. Ich unterscheide deshalb nur zwischen dem inhaltgebenden und dem ausführenden Autor, wenn Auftraggeber und Ghostwriter gemeinsam an einem Projekt arbeiten.

Kann jeder Ghostwriter werden? Welche Voraussetzungen braucht es?

Pamela Obermaier: Ja, grundsätzlich kann jeder ein Ghostwriter werden, weil es sich bei diesem Beruf um kein geschütztes Gewerbe handelt. Das birgt auch die Gefahr für die Kunden: Wie überall, gibt es auch hier schwarze Schafe und Leute, die ihr eigenes Können falsch einschätzen. Viele denken ja auch, es reiche, eine gute Schreibe zu haben, aber es geht um wesentlich mehr: Um ein gutes Ghostwriting abzuliefern, ist es auch wichtig, zu wissen, wie ein Buch von seiner Struktur her aufgebaut sein muss und wie man den Leser idealerweise abholt, damit er berührt, informiert oder unterhalten wird. Dieser Beruf ist deshalb für Journalisten, Lektoren oder Autoren am geeignetsten: Ein guter Journalist weiß, wie eine Geschichte funktioniert, gute Lektoren müssen mit Texten unterm Strich sogar besser umgehen können als Schriftsteller – und Autoren, die selbst gute Schreiber sind, wissen natürlich auch, worauf es ankommt. Abgesehen von all diesen Dingen ist es wichtig, sich als Ghost in den Auftraggeber einzufühlen zu können. Da geht es einerseits um die Fähigkeit der Empathie und andererseits darum, in der Sprache des jeweiligen Autors schreiben zu können. Das Buch soll ja nicht nach dem Schreibenden klingen, sondern nach dem, der dafür bezahlt, dass es wie sein eigenes wirkt.

Sie sind – eine selbst schreibende – Autorin und bieten mit Ihren Unternehmen auch Ghostwriting, Lektorat und Autorencoaching an. All diese Tätigkeiten haben augenscheinlich mit Büchern zu tun, aber worin besteht für Sie der jeweilige Unterschied?

Pamela Obermaier: Ich liebe Bücher seit meinen Kindertagen und es gibt unterschiedliche interessante Möglichkeiten, an ihrer Entstehung mitzuwirken. Lassen Sie es mich anhand eines überzeichneten Bildes erklären: Als Lektorin, Autorenberaterin und Ghostwriter-Vermittlerin fühle ich mich wie eine Geburtshelferin, die dafür sorgt, dass das Kind gesund zur Welt kommt. Wenn ich selbst als Ghostwriterin agiere, stelle ich mich sozusagen als Leihmutter zur Verfügung: Die Gene kommen von jemand anderem, aber ich stelle alles andere zur Verfügung, was daraus ein Kind – also natürlich in meinem Fall ein Buch – entstehen lässt. Und natürlich ist es ein ganz besonderes Gefühl, wenn es um das eigene Kind geht, um in diesem Bild zu bleiben. Darum sind es vermutlich nachvollziehbarerweise meine eigenen Bücher, auf die ich besonders stolz bin.

Mehr über unsere Interviewpartnerin Mag. Pamela Obermaier:

Mag. Pamela Obermaier ist Inhaberin der Textagentur textsicher und der Ghostwriting-Agentur DIE BUCHMACHERINNEN. Die Germanistin mit psychologischem und neurolinguistischem Background ist ehemalige Verlagsleiterin, mehrfache Bestsellerautorin und bildet LektorInnen, KorrektorInnen und GhostwriterInnen aus. Sie bietet ihr Können und Wissen rund um Bücher sowie Buchmarketing in Form von 1:1-Autorencoachings und Onlinekursen an, übernimmt einerseits selbst Ghostwritings und vermittelt andererseits GhostwriterInnen an Agentur-Kunden.

Nähere Infos:

https://www.textsicher.at/

https://www.diebuchmacherinnen.com/

Foto: Pamela Obermaier (c) Christian Rudolf