„Gemeinschaftsschutz“: Warum wir mit Impfungen nicht nur uns selbst, sondern auch andere schützen! Aktuell haben die Impfgegner viele Argumente „im Rennen“ – dennoch wollen wir auch die andere Seite hören und über „Durchimpfungsraten“ bzw. „Herdenschutz“ sprechen. Über die wechselseitigen Schutzbeziehungen, die Impfungen mit sich bringen, diskutierten Experten anlässlich des Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (KIT 2018) in Köln.
Köln, 21. Juni 2018 – Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst – schließlich kann man eine Infektion, die man sich selbst gar nicht erst zuzieht, auch nicht auf andere übertragen. Oft sind es Säuglinge, die auf diesen Gemeinschaftsschutz angewiesen sind, bevor sie selbst geimpft werden können. Aber auch Erwachsene profitieren von dem Effekt, der auch als Herdenimmunität bezeichnet wird.
Mit den Impfempfehlungen, die die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts für Deutschland formuliert, werden eine ganze Reihe unterschiedlicher Ziele verfolgt. „Neben dem Individualschutz vor Infektionskrankheiten und deren möglichen Folgen spielen auch gesellschaftlich relevante Ziele wie die Unterbrechung von Infektionsketten oder die Ausrottung von Erregern eine Rolle“, sagt Professor Dr. med. Markus Knuf, Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und Kongress-Präsident von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie(DGPI).
Auch der Aufbau einer Herdenimmunität falle in diese zweite Kategorie – denn nur durch sie können Menschen, die selbst nicht geimpft werden können, vor den betreffenden Infektionen und möglichen Komplikationen geschützt werden. Auch wenn Säuglinge und Kleinkinder diesen Schutz besonders benötigen, tragen sie umgekehrt wesentlich zur Herdenimmunität bei, wie Knuf am Beispiel der Pneumokokken und der von ihnen hervorgerufenen Erkrankungen zeigt: Weil das Erkrankungsrisiko bei Kindern unter fünf Jahren besonders groß ist, sieht der Impfkalender bereits im Säuglings- und Kleinkindalter eine Impfung gegen häufige Pneumokokken-Varianten vor. „Genau diese Varianten treten seitdem auch bei Senioren deutlich seltener auf“, sagt Knuf. Auch diese Gruppe sei durch Pneumokokken-Infektionen und deren Komplikationen besonders gefährdet.
Ob der Aufbau einer Herdenimmunität als Argument ausreicht, um auch die jährliche Grippeimpfung für alle Kinder zu empfehlen, ist unter Experten umstritten. Bisher sieht das RKI die Impfung nur für Kinder vor, die selbst ein erhöhtes Risiko für Komplikationen haben. Für Markus Knuf gibt es dennoch gute Gründe, auch gesunde Kinder gegen die Influenza zu impfen. „Zwar verläuft die Grippe bei ihnen meist unkompliziert, doch kommt es auch hier immer wieder zu schweren Verläufen“, erklärt er. Zudem seien Kinder der Dreh- und Angelpunkt der Influenza in der Gesellschaft. Kinder im Vorschulalter scheiden über einen langen Zeitraum hinweg eine große Anzahl von Viren aus, haben eine hohe Kontaktrate und wissen noch nichts von Hygiene. Viele Erwachsene stecken sich daher gerade bei Kleinkindern mit der Grippe an.
Meist sind es jedoch die Jüngsten, die den Herdenschutz benötigen. Als Beispiel dafür, wie geimpfte Erwachsene zum Schutz von Säuglingen beitragen, nennt Knuf die Impfung gegen Keuchhusten (Pertussis). Diese für Säuglinge gefährliche Krankheit wird meist über Jugendliche oder Erwachsene übertragen, bei denen der Impfschutz bereits nachlässt. „Es ist daher sinnvoll, den Schutz gegen Pertussis im Jugend- oder Erwachsenenalter aufzufrischen“, sagt der DGPI-Experte. Auch die sogenannte maternale Immunisierung, also die Impfung einer werdenden Mutter im letzten Schwangerschaftsdrittel kann ein Konzept sein, das Neugeborene zu schützen.