Bergen ist eine Hafenstadt, wie sie im Bilderbuch steht: bunt, lebenswert und vielseitig. Traditionelle Baukunst trifft auf malerische Fjordlandschaften. Nicht umsonst wir Bergen als „Tor zu den Fjorden“ bezeichnet. Weshalb sich eine Reise in die zweitgrößte Stadt Norwegens lohnt, weiß Anna Karolina Stock.
Bergen ist eine Kleinstadt mit Weltcharme. Genau genommen zählt sie mit knapp 280.000 Einwohnern zu den norwegischen „Großstädten“, denn sie ist nach Oslo die zweitgrößte Stadt des Landes. Ihren Namen hat die Hafenstadt im Südwesten Norwegens von den sieben Gipfeln, die sie umgeben und einrahmen. Dank dieser geografischen Begrenzung ist Bergen eine recht kompakte Stadt, die leicht zu Fuß erkundet werden kann. Nichtsdestotrotz steht ihr kulturelles und kulinarisches Angebot anderen europäischen Metropolen in nichts nach. Schlendert man durch die kleinen, engen Gässchen, die in der Landessprache „Smau“ genannt werden und zusammen mit den steilen Treppen die typische Kulisse Bergens ausmachen, lassen sich einige unerwartete Schätze entdecken. Wir haben die norwegische Hafenstadt für Sie besucht und zeigen Ihnen, weshalb sich ein Abstecher nach Fjordnorwegen lohnt.
Bryggen: Das geschichtsträchtige Hanseviertel von Bergen.Bei einem Spaziergang durch das Herzstück der Stadt, dem historischen Zentrum Bryggen, scheint die Vergangenheit Bergens wieder lebendig zu werden. Das Hafenviertel ist der älteste Stadtteil Bergens und gehört mit seinen 61 denkmalgeschützten Gebäuden seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zwar wurden die meisten alten Gebäude Anfang des 18. Jahrhunderts durch einen Großbrand zerstört, konnten allerdings originalgetreu nachgebaut werden, sodass das Hanseviertel auch heute noch im Glanze des 12. Jahrhunderts erstrahlt. Bryggen ist dicht bebaut und wird nur von engen Gassen durchzogen, welche die langen Häuserreihen gerade so voneinander trennen. Zahlreiche Museen, Galerien und Boutiquen haben dort ihren Platz gefunden und locken Einheimische und Touristen gleichermaßen an.
„Fisketorget“ – Der Fischmarkt von Bergen. Neben den Holzhäusern der Bryggen zählt der nahe gelegene „Fisketorget“ (dt. Fischmarkt) zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Bergens. Er ist ein fester Anlaufpunkt für alle Kreuzfahrtreisende, die einen Zwischenstopp in der westnorwegischen Hafenstadt einlegen. Aber auch Individualreisende sollten sich einen Marktbesuch nicht entgehen lassen. Von fangfrischem Fisch bis zu Meeresfrüchten gibt es alles, was der Atlantik vor der norwegischen Küste – und darüber hinaus – zu bieten hat. Die Preise sind dem norwegischen Preisniveau entsprechend hoch, aber wer einmal vom frisch zubereiteten Lachs gekostet hat, der butterweich auf der Zunge zergeht, greift gerne etwas tiefer ins Portemonnaie.
Hausberg Fløyen: Hoch hinauf mit der Fløibahn. Mit seinen 399 Metern ist der Fløyen bei weitem nicht der höchste der sieben Hausberge, aber der zentralste und der bekannteste. Seine Berühmtheit verdankt er der Aussichtsplattform auf 320 Höhenmetern, von der man einen fantastischen Ausblick über die Stadt und die Inseln Askøy und Sotra hat. Besonders romantisch ist ein Fløyen-Besuch in den Abendstunden, wenn Bergen in goldenem Licht erstrahlt. Hinauf geht es entweder zu Fuß über Treppen oder mit der 850 Meter langen Fløibahn, einer Standseilbahn mit Panoramawagen, die nur 150 Meter vom Hafenviertel Bryggen entfernt startet. Sie ist die einzige Seilbahn ihrer Art in ganz Skandinavien und wurde nach dem Vorbild der Merkurbahn in Baden-Baden konstruiert. Die ersten Wagen bestanden noch aus geöltem Teakholz. Heute sind ein roter und ein blauer Wagen im Einsatz, die „Blåmann“ und „Rødmann“ genannt werden und pro Jahr 1,4 Millionen Passagiere befördern.
Norwegens „Kunstwerke der Natur“. Eine Norwegenreise ohne Naturerlebnisse ist so gut wie unmöglich. Unabhängig von der Himmelsrichtung, weit und breit sind nur Wasser, Wälder und Berge zu sehen. Das Meer hat sich kreuz und quer in Norwegens Küste eingeschnitten und weit ins Festland hineinreichende Meeresarme gebildet. Diese sogenannten Fjorde gehören zu den beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der Welt und bringen jedes Jahr unzählige Besucher nach Skandinavien. Über eintausend Stück gibt es in ganz Norwegen, aber die legendärsten von ihnen liegen in Fjordnorwegen. Seit 2005 gehören der Geirangerfjord und der Nærøyfjord – stellvertretend für alle westnorwegischen Fjorde – zum UNESCO-Weltnaturerbe. Obwohl sie ungezähmt und wild wirken, sind sie recht einfach zu erkunden. Ob allein oder im Rahmen einer geführten Tour, überall warten kleine Dörfchen und zahlreiche Wanderwege – sowohl für Gletscherwanderer als auch für Bergsteiger.
Tipp: Entdecken Sie tiefe Gletscherspalten und eindrucksvolle Eishöhlen bei einer Wanderung über den Nigardsbreen, eine Gletscherzunge des Jostedalsbreen Gletschers, der sich nördlich des Sognefjords befindet.
Tor zu den Fjorden – Ausflug zum Sognefjord. Da Bergen der ideale Ausgangspunkt ist, um die facettenreiche Fjord-Landschaft zu erkunden, wird die Hafenstadt auch als „Tor zu den Fjorden“ bezeichnet. Den Sognefjord, den mit 205 Kilometern längsten Fjord Europas, erreicht man von Bergen aus entweder mit der Bahn oder dem Schnellboot Norled. Eigentlich handelt es sich beim Sognefjord nicht um einen einzigen Fjord, sondern um den Hauptarm eines ganzen Fjordsystems, von dem mehr als ein Dutzend Meeresarme abzweigen, darunter auch der Nærøyfjord und der Aurlandsfjord. Entlang des gesamten Sognefjords kann man hervorragend wandern und Kajak fahren. Je weiter man sich ins Land hinein bewegt, desto höher die Berge. Im Fjordinneren ragen über 1000 Meter hohe Felswände direkt aus dem Wasser heraus. Außerdem ist der Sognefjord sehr fischreich und deshalb bei Hobbyanglern äußerst beliebt.
Vom Aurlandsfjord zur Flåmbahn. Der Aurlandsfjord ist ebenfalls ein Seitenarm des Sognefjords und reicht tief ins Binnenland hinein. Die Gegend ist so abgelegen, dass sie über Straßen erst seit den 1980er Jahren erreichbar ist. Traditionell reist man über den Wasserweg nach Flåm, dem kleinen Fjorddorf an der Spitze des Aurlandsfjords, wo die sogenannte Flåmbahn endet. Die ursprünglich zum Gütertransport angelegte Strecke überwindet auf 20 Kilometern Länge 864 Höhenmeter und ist damit die steilste Normalspurstrecke der Welt.
Edvard Grieg: Norwegens berühmtester Komponist. 1843 erblickte in Bergen der wohl bekannteste Komponist Norwegens das Licht der Welt: Edvard Grieg. Den Troldhaugen (dt. Trollhügel) bezog er 1885 zusammen mit seiner Frau und lebte dort bis zu seinem Tod im Jahr 1907. Neben der zum Großteil original eingerichteten Villa und der ruhig gelegenen Gartenhütte, in der Grieg viele seiner bekanntesten Werke komponierte, können das Edvard Grieg Museum und das Grab des Musikers besucht werden. Die Einrichtungsgegenstände entsprechen weitestgehend denen zu Lebzeiten des Musikers, mussten aber vor Eröffnung des Museums 1928 aus der ganzen Welt zusammengetragen werden. Zusammen mit dem Dichter Bjørnstjerne Bjørnson trug Edvard Grieg entscheidend zur Schaffung einer neuen kulturellen Identität Norwegens bei. Sein bekanntestes Werk, die „Peer-Gynt-Suite“, zählt nach wie vor zu den herausragendsten Stücken weltweit.
Tipp: Zwischen Mai und Oktober finden täglich Mittagskonzerte auf Edvard Griegs originalem Steinway von 1892 statt.
Kaffeepause mit Skillingsbolle in Bergen. Sightseeing macht müde und hungrig. Wie wäre es daher mit einem Abstecher in eines der vielen originellen Cafés im Stadtzentrum von Bergen? Auch in Norwegen ist die Kaffeekultur ein wichtiger Bestandteil des Alltags und viele Bergenser betrachten Cafés und Kaffeebars als ihr zweites Wohnzimmer. Was wären die Skandinavier nur ohne ihren starken Kaffee? Daher kann man bei der Wahl des Lokals auch nicht viel falsch machen, schwarzer Kaffee und hausgemachte Kuchen schmecken einfach überall ausgezeichnet. Die für Skandinavien ebenfalls typischen Zimtschnecken heißen in Norwegen übrigens „Skillingsbolle“ und sind das Nationalgebäck Westnorwegens. In Bergen gibt es sogar einen Skillingsbolle-Tag, an dem Bäckereien, Cafés und Museen zum großen Zimtschneckenessen einladen. Bei der Bäckerei „Baker Brun“ soll es angeblich die besten Skillingsbolle der Stadt geben.
Die norwegische Braukunst. Noch vor zehn Jahren hatte man in norwegischen Bars die Qual der Wahl zwischen Bier oder keinem Bier. Man musste trinken, was gerade aus dem Zapfhahn kam. Das hat sich inzwischen geändert: Die Nachfrage nach echtem norwegischen Craft Beer ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Fast monatlich tauchen neue Mikrobrauereien auf dem Markt auf, die schon jetzt auf eine stolze Sammlung internationaler Auszeichnungen blicken können. Eine von ihnen ist die in Flåm ansässige Brauerei Ægir, benannt nach dem Meeresgott aus der nordischen Mythologie. Das angeschlossene Lokal wurde dreimal hintereinander zum „Norwegischen Brauereipub des Jahres“ gewählt und verschaffte der Brauerei auch internationale Bekanntheit. Noch bekannter ist aber der mit Doppel-Gold prämierte Bareksten Botanical Gin des Norwegers Stig Bareksten. Beeren und Kräuter aus den Wäldern Norwegens verleihen dem Premium-Gin aus Blomsterdalen bei Bergen eine hohe Geschmacksintensität. Alle 42 Juroren der San Francisco World Spirits Competition, der weltweit wichtigsten Auszeichnung für Spirituosen, waren sich bei der Vergabe 2017 einig: Bareksten Botanical verdient den ersten Preis gleich doppelt.
Reisetipps für eine Städtereise nach Bergen
- Anreise: Gemütlich, aber zeitaufwendig (circa 16,5 Stunden) ist die Anreise mit der Fähre Fjord Line ab Hirtshals im Norden Dänemarks. Zudem ist Bergen Ausgangs- und Zielhafen der Postschifflinie Hurtigruten. Mit Wizz Air geht es zweimal pro Woche nonstop von Wien nach Bergen. Für alle, die schon immer eine Norwegentour machen wollten, ist das von Wideroe angebotene Explore Norway Ticket interessant. Für rund 500 Euro kann man damit zwei Wochen lang unbegrenzt durch Norwegen fliegen (Angebotszeitraum: 1. Juli bis 31. August 2019).
- Reisezeit: Bergen liegt im Luv der umliegenden Berge, in der Zugbahn der Westwinde. Mit Regen muss man also ganzjährig rechnen. Die beste Reisezeit ist zwischen Mitte Mai und Ende August, wenn es in der Hafenstadt am trockensten ist.
- Übernachten: Das frisch renovierte Radisson Blu Royal Hotel in Bergen punktet mit seiner zentralen Lage im Bryggen-Viertel. Einige Zimmer bieten sogar Hafenblick. Das Opus XVI wurde erst im Frühjahr 2018 eröffnet und gehört einem Nachkommen von Edvard Griegs Bruder. Wer einen Ausflug zum Sognefjord macht, kann vom Sogndal Quality Hotel in Sogndal aus leicht die Umgebung erkunden. In Flåm bietet sich das Fretheim Hotel an und in Balestrand, am nördlichen Ufer des Sognefjords, das Kviknes Hotel.
- Essen: Das Bryggen Tracteursted im Stadtteil Bryggen bietet unter anderem norwegische Tapas „Smakfulle Småtterier“ and. Das Cornelius befindet sich auf einer Insel bei Bergen, die nur per Boot erreichbar ist, und gehört zu den besten Fisch- und Meeresfrüchterestaurants Norwegens.
- Auskunft: Weitere Reiseinfos für Bergen finden Sie auf den deutschsprachigen Webseiten von Visit Norway, Visit Bergen, Sognefjord und Fjord Norway.
- Buchtipp: Der Stadtführer „CityTrip Bergen“ von Martin Schmidt ist der ideale Begleiter, um die zweitgrößte Stadt Norwegens auf eigene Faust zu entdecken. Erschienen im Reise Know-How Verlag 2019.
- Buchtipp 2: Armin Tima: Norwegen Reiseführer Michael Müller Verlag. Individuell reisen mit vielen praktischen Tipps: Norwegen ist vielleicht das europäische Individualreiseziel schlechthin und wie geschaffen für traumhafte Überlandfahrten. Zwischen der sonnigen Südküste und dem wilden Nordkap, zwischen der zerklüfteten Fjordlandschaft des Westens und den einsamen Wäldern an der östlichen Landesgrenze eröffnet sich eine landschaftliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Man erlebt grandiose Naturdenkmäler wie die atemberaubende Felskanzel Preikestolen oder gewaltige Wasserfälle wie den Vøringsfossen, der knapp 150 Meter in die Tiefe stürzt. Zwischendurch lohnen immer wieder Streifzüge durch die städtische Kultur des Landes, durch die Museen Oslos etwa oder durch Bergens altes Handelsquartier Bryggen aus der Zeit der Hanse, das zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt
Anna Karolina Stocks Recherchereise wurde unterstützt von Fjord Norway