Salzburg Research entwickelt eine Software, die in Zukunft das Leben von Diabetikerinnen und Diabetikern erleichtern soll …
Sie soll vor allem auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Beim DIABgender-Prototyp stehen individuelle Bedürfnisse und Rahmenbedingungen nicht nur von Frauen und Männern, sondern auch von verschiedenen Rollen und Lebenssituationen im Fokus. Hintergründe zu dieser vielversprechenden Herangehensweise wurden in der aktuellen Ausgabe von „GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft“ veröffentlicht.
Ob die Großeltern, ein Kollege oder die schwangere Freundin – fast alle kennen eine Person im eigenen Umfeld, die unter Diabetes leidet. Die Krankheit ist nicht nur ein individuelles, sondern ein massives gesellschaftliches Problem, das sich in Zukunft drastisch steigern wird. Eine Forschergruppe der Salzburg Research Forschungsgesellschaft entwickelt derzeit einen Prototyp eine mobile Webapplikation, die Diabetikern und Diabetikerinnen unter Berücksichtigung von Gender-Aspekten helfen soll, im Alltag mit ihrer Krankheit besser umzugehen.
Softwareentwicklungen für das Diabetes-Selbstmanagement gibt es zwar bereits viele, jedoch keine, die Geschlechteraspekte berücksichtigen. Genderaspekte helfen, Nutzerinnen und Nutzer bei ihrer Erkrankung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Rolle oder ihrer aktuellen Lebenssituation individueller und dadurch besser unterstützen zu können. Aus der Literatur ist bereits seit längerem bekannt, dass Männer und Frauen Diabetes überwiegend unterschiedlich erleben und damit oft unterschiedliche Bedürfnisse an ihre Therapie und Diabetes-Selbstmanagement haben. Doch bislang fanden diese Erkenntnisse noch nicht Eingang in Diabetes-Anwendungen. DIABgender berücksichtigt diesen Aspekt. Dadurch soll Nutzern und Nutzerinnen geholfen werden, den Umgang mit ihrer Krankheit in ihrem Alltag besser und individueller gestalten zu können.
Wie Gender in die Software-Entwicklung kommt. Gender ist als Querschnittsthema ein interdisziplinäres Feld: In der Gender-Medizin geht es um biologische bzw. körperliche Unterschiede für therapeutische Maßnahmen. Hinzu kommen psychosoziale Faktoren, sozioökonomische Rahmenbedingungen und spezifische Lebenswelten von Frauen und Männern.
Die in DIABgender entwickelte Software wurde mit Hilfe des sogenannten GERD-Modells, einem Vorgehensmodells für den Entwurfsprozess von gender-gerechter Software, umgesetzt. In diesem Modell der Softwareentwicklung werden Ansätze aus dem Bereich der Gender Studies und Informatik-Denkweisen verbunden. Stereotypen sollen dabei bereits bei der Entwicklung vermieden werden, durch partizipatives Design wird mehr auf die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern eingegangen: In der Software-Entwicklung sind Frauen beteiligt, mit Hilfe von Fokusgruppen werden individuelle Bedürfnisse erhoben und berücksichtigt.
Personalisierung und Individualisierung. DIABgender beruht auf den Ergebnissen des EU-Forschungsprojekts EMPOWER (Koordinator: Salzburg Research) und ist als Wochenplan gestaltet, um Diabetiker und Diabetikerinnen bei Lebensstiländerungen mit individuellen Selbstmanagement-Zielen zu unterstützen. Im Fokus stehen Schwangere, Frauen in den Wechseljahren sowie Männer und Frauen mit Herz-Kreislauferkrankungen oder Stress.
Ziele werden als konkrete Aktivitäten umgesetzt, wie zum Beispiel tägliches Monitoring des Blutzuckers, Vorhaben, wie dreimal in der Woche zu walken, oder das Einhalten einer Diät. Im Wochenrhythmus gibt die Software Feedback zu diesen individuellen Zielen. Aspekte wie das Alter oder die Berufstätigkeit werden beim Finden von Bewältigungsstrategien von DIABgender ebenfalls berücksichtigt. Sport und Bewegung beispielsweise ist ein wichtiger Aspekt bei Diabetes. Intensität und Art muss aber an die Lebensumstände angepasst sein. So braucht es für jüngere Diabetiker und Diabetikerinnen andere Empfehlungen als für ältere Betroffene mit beispielsweise bereits eingeschränkter Mobilität.
Erprobung am AKH Wien. Gegenwärtig wird DIABgender am Wiener AKH unter der Leitung von Alexandra Kautzky-Willer (Gender Medicine Unit, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Uniklinik für Innere Medizin III) getestet und erprobt. Noch bis zum Frühjahr 2017 testen über fünfzig Personen mit Diabetes Typ1 und Typ2 den Prototyp. Die DIABGender-Software kommuniziert und interagiert mit den Diabetes-Geräten von Sinovo (Projektpartner in DIABGender).
Foto pixabay