Ruhm und Ehre, und was noch? Das fragen sich 2016 San Sebastian (Spanien) und Breslau (Polen)

Bild oben: Pilsen war die Europäische Kulturhauptstadt 2015, (Czech Tourism/Ladislav Renner)

san-sebastian-espanalinks: San Sebastian, Nordspanien 

 

 

 

 

Pilsen verabschiedete sich vom Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2015“ mit einer positiven Bilanz: Anstieg der Besucherzahl, Öffentlichkeitswirksamkeit, Steigerung der Attraktivität von Pilsen. „Dank der Europäischen Kulturhauptstadt ist Pilsen eine gefragte touristische Destination. Meiner Meinung nach ist die Realisierung gelungen und ich betrachte das Programm als erfolgreich. Gleichzeitig besteht aber eine Verpflichtung in den kommenden Jahren, wir müssen die Nachhaltigkeit gewährleisten“, sagte der Oberbürgermeister der Stadt Pilsen, Martin Zrzavecký.

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Breslau 2016: Dutzende Zwergenskulpturen in der Stadt erinnern an den Widerstand der Gewerkschaft Solidarnosc (Solidarität) gegen das kommunistische Regime

 

An eine sogenannte Kulturhauptstadt gibt es hohe Erwartungen. Doch profitieren die Städte tatsächlich davon? Nicht alle Kulturhauptstädte sind erfolgreich. Aber die, die es gut gemacht haben, die haben sehr profitiert, hört man von den „Betroffenen“. Das gilt z.B. für Essen und das Ruhrgebiet. In Essen gab es z.B. weit mehr als 30 Prozent mehr Übernachtungen als im Jahr vor der Kulturhauptstadt. Das Weltkulturerbe Zollverein hatte vor der Kulturhauptstadt eine Million Besucher und hat jetzt 1,6 Millionen Besucher jährlich. Das wäre sogar ein nachhaltiger Erfolg, der einzige der auch wirklich zählt. Man spricht auch vom positiven Effekt für die kulturelle Szene. Man kommt mehr zusammen, man konzentriert sich auf die eigenen Stärken und arbeitet dann auch danach nachhaltig intensiver an der Kultur.

Der Titel scheint für Städte also durchaus attraktiv. Er lockt mit Fördergeldern, das heißt, die Infrastruktur kann ausgebaut werden, etc. Man muss jedoch aufpassen, dass man nicht Bauten schafft, die hinterher nicht ausreichend genutzt werden. Es geht nicht nur ums Bauen sondern auch um ein neues Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger. Das trägt weiter und das ist die nachhaltigste Wirkung, die eine Kulturhauptstadt haben kann.

Das „völkerverbindende Projekt“ war bereits 1985 von der damaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri initiiert worden – nicht zufällig wurde dann Athen die erste prämierte Stadt. Nachhaltiges hatte der ganze Pomp freilich nicht gebracht; erst im Vorfeld der Olympiade von 2004 konnte die bis dato heruntergekommene Metropole ihr quasi realsozialistisches Outfit ein wenig liften. Auch in Thessaloniki hatte vom Kulturhauptstadt-Status des Jahres 1997 hauptsächlich die dortige Klüngel-Bürokratie profitiert; erst in den letzten Jahren, als ein neuer Bürgermeister die alten Korruptionskartelle zu neutralisieren begann, wurde die geschichtsträchtige Hafenstadt tatsächlich wieder attraktiv.

Viele sprechen auch vom EU-Steuergelder verschlingenden Pomp der „Doppel-Kulturhauptstadt“, und fragen kritisch nach, wem sie wirklich dienen? Für die Kritiker sind „Diversität, Transparenz, Multikulturalität, Innovation“ nur leere Schlagwörter.

Ist sei ein reines Politikum und Prestigethema oder kann man wirklich von einem Innovationsschub rechnen und vom Nutzen für die Menschen in der Region. Wo bleiben bei all dem „Brot-und-Spiele-Trubel“ die wirklich nachhaltigen Debatten darüber, wie die doch recht erfolgreichen Transformationsprozesse in Städten wie Pilsen oder auch Mons den Menschen nützt? Der Idee vom „zusammenwachsenden Europa“ sollte auch Taten jenseits des Festspiele- und Veranstaltungstrubels folgen …

Die Länderreihenfolge ist bereits bis 2019 festgelegt Wien – Seit 1985 erhält jährlich mindestens eine europäische Stadt den Titel „Kulturhauptstadt Europas“. Der Europäische Rat verleiht ihn auf Empfehlung der Europäischen Kommission. Um die zehn neu hinzugekommenen EU-Länder einzubinden, werden von 2009 bis 2019 jährlich zwei Titelträger, jeweils aus einem alten und einem neuen Mitgliedstaat, ernannt. Seit 2005 können auch „europäische Drittländer“ teilnehmen. Mit Istanbul und Kiew hatte es für 2010 erstmals Bewerber aus diesem Bereich gegeben.

 

Aus Österreich waren bisher Graz 2003 und Linz 2009 Kulturhauptstädte. Bis 2016 stehen die Städte bereits fest, bis 2019 haben der Europäische Rat und das Europäische Parlament die Reihenfolge der weiteren Länder festgelegt. Nach 2019 könnte es jährlich wieder nur eine Europäische Hauptstadt der Kultur geben. Städte, die bereits „Kulturhauptstadt Europas“ waren, können sich kein zweites Mal bewerben.

1985: Athen (Griechenland) 1986: Florenz (Italien) 1987: Amsterdam (Niederlande) 1988: Berlin (Deutschland) 1989: Paris (Frankreich) 1990: Glasgow (Großbritannien) 1991: Dublin (Irland) 1992: Madrid (Spanien) 1993: Antwerpen (Belgien) 1994: Lissabon (Portugal) 1995: Luxemburg (Luxemburg) 1996: Kopenhagen (Dänemark) 1997: Thessaloniki (Griechenland) 1998: Stockholm (Schweden) 1999: Weimar (Deutschland) 2000: Avignon (Frankreich), Bergen (Norwegen), Bologna (Italien), Brüssel (Belgien), Helsinki (Finnland), Krakau (Polen), Prag (Tschechien), Reykjavík (Island), Santiago de Compostela (Spanien) 2001: Porto (Portugal), Rotterdam (Niederlande) 2002: Salamanca (Spanien), Brügge (Belgien) 2003: Graz (Österreich) 2004: Lille (Frankreich), Genua (Italien) 2005: Cork (Irland) 2006: Patras (Griechenland) 2007: Luxemburg (Luxemburg), Sibiu (Rumänien) 2008: Liverpool (Großbritannien), Stavanger (Norwegen) 2009: Linz (Österreich), Vilnius (Litauen) 2010: Pécs (Ungarn), Essen und das Ruhrgebiet (Deutschland), Istanbul (Türkei) 2011: Turku (Finnland), Tallinn (Estland) 2012: Guimaraes (Portugal), Maribor (Slowenien) 2013: Marseille (Frankreich), Kosice (Slowakei) 2014: Umea (Schweden), Riga (Lettland) 2015: Mons (Belgien), Pilsen (Tschechien) 2016: San Sebastian (Spanien), Breslau (Polen) 2017: (Dänemark), (Zypern) 2018: (Niederlande), La Valetta (Malta) 2019: (Italien), (Bulgarien)

Titelfoto: Pilsen Vogelpersepktive Czech-Tourism, Renner Ladislav;  weitere: kulturhauptstadt Breslau; San Sebastian Espana