Jeder 30. Österreicher ist schwer allergisch!
Trotz Lebensgefahr lässt sich nur jeder fünfte Allergiker behandeln!
Jedes Jahr schockieren uns Nachrichten über Todesfälle aufgrund eines Bienen- oder Wespenstiches. Trotzdem wird die Insektengift-Allergie zu häufig nicht ernst genommen. Nur 2 von 10 Allergikern werden mit einer Insektengift-Immuntherapie behandelt, die praktisch zu 100 Prozent wirkt. Nur die Hälfte der Patienten, die sich dafür entschieden haben, bringt diese Therapie schließlich auch tatsächlich zu Ende und hat so nachhaltigen Schutz und Sicherheit. Warnzeichen zu ignorieren oder die lebensgefährliche Erkrankung zu banalisieren, gleicht russischem Roulette, warnen Experten am Mittwoch anlässlich einer Pressekonferenz in Wien.
Etwa jeder 30. Österreicher (3,3%) ist schwer allergisch gegen den Stich einer Biene oder Wespe – das sind rund 300.000 Menschen.1 „Sommer für Sommer landen hunderte Insektengift-Allergiker in den heimischen Notaufnahmen, und vier bis fünf Menschen sterben pro Jahr an den Folgen eines Bienen- oder Wespenstiches“, zeigt Univ.-Doz. Dr. Stefan Wöhrl vom Floridsdorfer Allergiezentrum (FAZ) die Dramatik dieser gefährlichsten Allergieform auf. „Zusätzlich reagieren weitere knapp 400.000 Österreicher (4,6%) mit einer übermäßigen Lokalreaktion der Haut. Die ist zwar unschön, aber nicht weiter bedrohlich.“
Ein Stich genügt und Allergiker können innerhalb weniger Minuten in Lebensgefahr schweben. Wöhrl informiert über die Anzeichen: „Erstes Warnzeichen kann eine Quaddel an der Einstichstelle sein. Das ist soweit noch kein Grund zur Panik. Bedrohlich wird es, wenn der Hautausschlag nicht nur lokal, sondern am ganzen Körper auftritt und/oder es zu Schwellungen im Gesicht oder Hals, Kribbeln an den Hand- und Fußinnenflächen, Übelkeit, Atemnot, Schwindel oder Herzrasen kommt.“ Dann beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn „binnen weniger Minuten kann sich die allergische Reaktion bis zum lebensbedrohlichen Kreislaufschock ausweiten“, warnt Assoz.Prof. Dr. Gunter Sturm vom Allergieambulatorium Reumannplatz. „Allergiker müssen daher ihre Notfallmedikamente, allen voran einen Adrenalin-Autoinjektor, der den Kreislauf stabilisiert, immer mit sich tragen und in deren Umgang sicher sein.“
Lebensgefährlicher Leichtsinn! Trotz der akuten Lebensgefahr wird eine Insektengift-Allergie häufig nicht ausreichend ernst genommen. Sturm: „Viele Patienten suchen erst Jahre später einen Arzt auf – wenn überhaupt. Dabei verpassen sie die wichtige Chance, sich mit der spezifischen Immuntherapie langfristig und sicher zu schützen. Nur zwei von zehn der Behandlungsbedürftigen sind in Therapie.“ Anders gesagt: 80 Prozent riskieren Sommer für Sommer aufs Neue ihr Leben.
Spezifische Immuntherapie hilft praktisch immer. Die schlechte Akzeptanz verwundert angesichts der Tatsache, dass kaum eine andere medizinische Therapie einen derart guten Wirkungsnachweis erbringen kann. Sturm: „Durch eine korrekt ausgeführte spezifische Immuntherapie kann sich nahezu jeder Patient fast 100-prozentig schützen.“ Die WHO empfiehlt die Behandlung, deren Kosten von der Krankenkasse zur Gänze übernommen werden, ausdrücklich auch für Kinder. Nebenwirkungen treten selten auf und sind in der Regel mild. Im Zuge dieser Behandlung wird der Allergie-Auslöser in anfangs steigender Dosierung in den Oberarm injiziert. Der Körper gewöhnt sich nachhaltig an das Insektengift, wodurch die allergische Reaktion ausbleibt oder zumindest deutlich schwächer ausfällt. Der Erfolg zeigt sich bereits nach einer kurzen Behandlungszeit.
Hauptargument für Therapieabbruch: Keine Zeit. Besorgniserregend ist weiters, dass viele, die sich für eine Behandlung entschieden haben, die drei- bis fünfjährige Therapie frühzeitig abbrechen. Eine aktuelle österreichische Studie erhob, wie viele (bzw. wie wenige) der Patienten die Immuntherapie auch zu Ende führen. „Nur die Hälfte der Patienten (51,3%) beendete die Therapie nach Plan“, so Studienautor Sturm über das ernüchternde Ergebnis, das die Frage nach dem Warum aufwirft. Den Gründen eines vorzeitigen Therapieabbruchs wurde in einer anderen österreichischen Studie nachgegangen – an erster Stelle: Zeitmangel!
Diagnose beim Facharzt gibt Aufschluss. Die Empfehlung der Experten lautet: Eine Reaktion, die über eine lokale Hautreaktion hinausgeht, sollte unbedingt bei einem allergologisch versierten Facharzt bzw. in einem Allergieambulatorium oder einer Allergieambulanz im Krankenhaus abgeklärt werden. „Die Diagnose einer Insektengift-Allergie besteht aus einem detaillierten Arzt-Patienten-Gespräch sowie einer Austestung mittels Haut- und Bluttest“, informiert Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Hemmer vom Floridsdorfer Allergiezentrum. „Durch die Einführung der molekularen Allergiediagnostik lässt sich inzwischen ganz gezielt herausfinden, welche Eiweiß-Bestandteile aus dem jeweiligen Gift für die Allergie verantwortlich sind. Dadurch kann das für die allergische Reaktion verantwortliche Insekt heute verlässlich identifiziert werden. Die Therapieentscheidung wird beschleunigt und unnötige Therapien können vermieden werden – was die Sicherheit der Patienten erhöht bzw. Zeit & Geld spart.“
Der Status quo Die Imker mussten heuer zwar zum Teil empfindliche Bienenverluste durch einen Milbenbefall im Vorjahr hinnehmen, sind aber bemüht, den Normalbestand zu erreichen – was üblicherweise gelingt. Somit wird es heuer in etwa gleich viele Bienen geben wie im Vorjahr. Anders als die Bienen, die den gesamten Staat überwintern, starten die Wespen später mit der Gründung ihrer Kolonien. Bienenstiche sind daher bereits im Frühjahr häufig, Wespenstiche erst später im Jahr (Spätsommer/Herbst).
Linktipp: www.initiative-insektengift.at. Unter dem Motto „Sicher durch den Sommer“ gibt es hier umfassende Information über Warnzeichen, Vorbeugung, Behandlung und richtiges Verhalten im Notfall sowie Tipps und Hilfestellung.
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