Bluttransfusionen: drohende Engpässe trotz sparsamerem Einsatz
Jüngere Menschen sollten verstärkt für das Blutspenden gewonnen werden
Der Bedarf an Blutkonserven ist in den letzten Jahren zwar zurückgegangen, doch der demografische Wandel bereitet den Blutbanken weiterhin Sorgen. In Deutschland könnte es schon bald nicht mehr genügend junge Spender geben, um eine steigende Zahl älterer Menschen aus der „Baby-Boomer-Generation“ zu versorgen, warnen Experten im Vorfeld der 52. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin (DGTI).
In Deutschland wurden im letzten Jahr 3,4 Millionen Transfusionen mit Fremdblut durchgeführt. Das ist fast ein Viertel weniger als vor zehn Jahren. Im Jahr 2009 wurden von den Krankenhäusern noch 4,5 Millionen Blutkonserven abgerufen. „Der Rückgang lässt sich vor allem auf die strengeren Regeln für Bluttransfusionen bei Operationen, Krebs- und Herzerkrankungen sowie Magendarm-Blutungen zurückführen. Früher erhielten die Patienten bereits Transfusionen, wenn der Hämoglobinwert auf unter 10 g/dl abgefallen war“, sagt Professor Dr. med. Andreas Greinacher, Leiter der Abteilung Transfusionsmedizin am Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald. Dieser Wert für den Sauerstoffträger im Blut ist zwar bereits deutlich unter der Norm, die bei Männern zwischen 14 und 18 g/dl und bei Frauen zwischen 12 und 16 g/dl liegt. „Studien haben jedoch gezeigt, dass die Überlebenschancen der Patienten nicht schlechter sind, wenn der Hämoglobinwert nicht zu stark angehoben wird“, sagt Greinacher. Bei vielen Patienten werde heute ein Hämoglobinwert von 7 oder 8 g/dl angestrebt. „Die genauen Ursachen hierfür sind immer noch nicht geklärt“, so der Experte.
Ein weiterer Grund für den gesunkenen Bedarf ist der sparsamere Umgang mit dem Blut. „Viele Kliniken haben ein Patient Blood Management eingeführt“, erläutert Greinacher. Die Maßnahmen würden von kleineren Röhrchen zur Blutentnahme bis zum Einsatz von Cell-Savern reichen. Mit letzteren kann während der Operation das Blut aufgefangen und dem Patienten als Eigenblut für eine Transfusion zur Verfügung gestellt werden. Auch die Behandlung einer Blutarmut mit Eisen kann den Bedarf an Blutkonserven bei geplanten Operationen verringern. Der Experte sieht durchaus weitere Einsparmöglichkeiten. In Deutschland kämen auf 1 000 Einwohner im Jahr 41,7 Blutkonserven. In der Schweiz seien es 35 und in den Niederlanden sogar nur 27. „Die Gründe für diese Unterschiede sind derzeit noch unklar und es bedarf weiterer Forschung hierzu“, so Greinacher.
Dennoch dürfe man sich von diesen Zahlen nicht täuschen lassen, warnt er. Die meisten Blutkonserven werden von Menschen über 65 benötigt. Derzeit sind dies häufig die Geburtsjahrgänge 1940 bis 1950, deren Zahl wegen der Auswirkungen des zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit niedriger seien als andere Jahrgänge. Zu den aktivsten Blutspendern zählen derzeit die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1965. In den nächsten Jahren kommen genau diese „Baby Boomer“ in ein Alter, in dem sie selbst verstärkt Blutkonserven benötigen. „Während also diese Gruppe vom Spender zum Empfänger wird, haben wir einen jetzt schon deutlichen Mangel in Bezug auf die „nachwachsende“ Spendergeneration der nach 1989 Geborenen – vor allem in den neuen Bundesländern. Denn nach der Wende ist die Geburtenrate dort um 50 Prozent gefallen“, sagt Greinacher, der die Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern seit 2005 in einer Studie beobachtet. Hinzu komme, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten viele vor allem jüngere Menschen wegen fehlender Arbeitsplätze in den Westen abgewandert sind.
Auch der Vorsitzende der DGTI, Professor Dr. med. Hermann Eichler, erwartet für die nächsten Jahre Engpässe. „Wir benötigen dringend ein bundesweites Monitoring, um festzustellen, wo Blutkonserven benötigt werden und wo weitere Einsparpotenziale bestehen“, sagt der Direktor des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlands in Homburg/Saar. Die Blutbanken müssten in die Lage versetzt werden, den Bedarf besser als bisher abzuschätzen. Dann werde auch in schwierigen Situationen jeder Patient in Deutschland die Bluttransfusionen erhalten, die er benötigt. Parallel dazu sei es wichtig, für das Blutspenden vor allem bei jüngeren Menschen zu werben.
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