Medikamentenpfusch, Kunstfehler, Geschäfte mit Transplantationen: Wenn Ärzte und Pharmaunternehmen medizinische und ethische Standards überschreiten, hat das oftmals schwerwiegende Konsequenzen für Patienten. Die Autoren Eckart Roloff und Karin Henke-Wendt thematisieren in dem Buch „Geschädigt statt geheilt“ das brisante Feld medizinischer Fehlleistungen.

Im November beim S. Hirzel Verlag, 22 Euro

In der öffentlichen Wahrnehmung zählt die Contergan-Affäre mit allein 5000 Betroffenen in Deutschland zu den bekanntesten Skandalfällen. „Sündenfall eines naiv-sorglosen Umgangs mit Arzneimitteln“, so stuft der Pharmakologe Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen die Ereignisse rund um das Schlafmittel mit dem Wirkstoff Thalidomid ein. Von 1957 bis 1961 war das Präparat nach unzureichender Testphase auf dem Markt und hatte bei einer hohen Zahl von Schwangeren zu schweren Kindesmissbildungen geführt. Der Prozess gegen die Firma Chemie Grünenthal wurde 1970 eingestellt, keiner der Angeklagten wurde verurteilt.

Indem die Autoren tief in die Chronologie der jeweiligen Fälle eintauchen, machen sie Kausalitäten und Verflechtungen von Interessenslagen sichtbar. Was die Skandale oftmals eint, ist das Ringen der Geschädigten um Schadensersatz und Klärung von Schuldfragen. Wie bei tausenden Blutern, die Anfang der 1980er Jahre mit Hepatitis- und HIV-Erregern verseuchte Gerinnungsmittel verabreicht bekamen. Die Aufarbeitung beschäftigte noch Jahre später einen Untersuchungsausschuss des Bundestages, bis heute der einzige im medizinischen Bereich. Der informative Übersichtsband präsentiert insgesamt 16 Fälle aus der Medizingeschichte, die medial und juristisch Kreise zogen. Darunter auch „Anti-D“, der größte Medizinskandal der DDR mit massenhaften Hepatitiserkrankungen, der von den Verantwortlichen vertuscht worden war und nach der Wiedervereinigung nach hartnäckigen Protesten mehr Aufklärung fand.

Dr. Eckart Roloff ist Medizinjournalist und war 20 Jahre lang Leiter des Wissenschaftsressorts einer Wochenzeitung. Lehraufträge an Journalistenschulen gehören zu seinem beruflichen Spektrum ebenso wie Veröffentlichungen als Autor und Herausgeber.

Dr. Karin Henke-Wendt ist Biologin, Fachredakteurin und Wissenschaftsjournalistin in den Bereichen Radioonkologie, Gynäkologie und ganzheitliche Medizin. Bücher zu medizinischen Themen, Patienten- und Imagebroschüren prägen ihr Profil als Autorin.

FAZIT: Ein Buch, das wachrüttelt – aber keine Panik verbreiten oder verunsichern will! Wir Menschen sollten wissen, was passiert und passiert ist. Und alle jene Gesellschaften und Mithelfer müssen auch wissen, dass Fehler nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen. Dass man sich der Verantwortung, die man übernommen hat, auch stellen muss. Ein Patient soll auch wissen, dass  Vorsicht immer geboten ist und man leider nicht mehr vertrauen kann.

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